Freitag, 31. Juli 2015

Konzerte in München - August 2015

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die livepräsenz von bands bzw. künstlern hat an bedeutung gewonnen. dem wollen wir gern rechnung tragen, indem wir immer mal wieder etwas deutlicher hinweise auf entsprechende veranstaltungen geben. das können tourdaten einzelner künstler sein, aber auch wie heute übersichten nur für eine stadt. dass uns münchen dabei am herzen liegt, dürfte auf der hand liegen. gleichsam bemühen wir uns nicht um einen kompletten überblick, sondern picken uns die perlen heraus. wenn Ihr etwas ergänzt haben wollt, gebt bescheid oder nutzt die kommentarfunktion. (und bitte, verlasst Euch nicht auf die angaben hier, sondern lasst sie Euch vom veranstalter vorab bestätigen, danke!)


Wir danken Eike, der diese Liste mit Liebe zusammengestellt und hier veröffentlicht hat (dort gibt es auch viel zu hören).

01.08. stray colors, theatron
01.08. agua verde, import export 
01.08. ben bartel, unter deck
01.08. - 08.08. free and easy festival, backstage
01.08. guido may, unterfahrt
03.08. thisell / hochzeitskapelle, maximiliansanlagen
04.08. anna lauvergnac internation quartet, unterfahrt
05.08. triska, glockenbachwerkstatt
06.08. rasmus hoffmeister, glockenbachwerkstatt
07.08. munich juke joint, glockenbachwerkstatt
09.08. the menzingers, strom
10.08. darcy, theatron
10.08. meanders, glockenbachwerkstatt (soundbsp.)
10.08. the angelcy, glockenbachwerkstatt
11.08. joe kienemann trio, unterfahrt
12.08. jenny evans and band, unterfahrt
14.08. the migrant workers / blec le roc, theatron
11.08. moonband u.a., theatron
11.08. robert plant, zenith
13.08. first day of aries, glockenbachwerkstatt
13.08. wayne escoffery quartet, unterfahrt
14.08. the terraces u.a., glockenbachwerkstatt
15.08. bat society, kafe kult
17.08. me and my drummer, milla (soundbsp.) 
17.08. zoo escape u.a., theatron
18.08. das band u.a., theatron
18.08. carolyn breuer, unterfahrt
20.08. occupanther / tubbe u.a., theatron
20.08. the charles, milla
21.08. young chinese dogs u.a., theatron (soundbsp.)
21.08. northcote, milla (soundbsp.)
21.08. manchester orchestra, strom
22.08. impala ray u.a., theatron
23.08. rapid u.a., theatron
24.08. teti cortese and band u.a., heppel & ettlich
25.08. johanna schneider quartet, unterfahrt
28.08. jim adkins, ampere
28.08. colt 45 u.a., kafe kult



Sonntag, 26. Juli 2015

Fever Dream, Ripley, 24.07.15

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Konzert: Fever Dream
Ort: Midlands Railway Centre, Ripley (Indietracks Festival)
Datum: 24.07.2015
Dauer: 37 min
Zuschauer: ein paar hundert



Vor zwei Jahren konnte ich beim Indietracks leider nur zwei oder drei Lieder eines hervorragenden Konzerts der Londoner Band Fever Dream sehen. Damals gab es nur eine EP (namens E.P.), bis zum Debütalbum sollte es dann noch knapp zwei Jahre dauern. Moyamoya war dann vor ein paar Monaten ein Pflichtkauf. Die Platte enthält mit Serotonin Hit eines meiner liebsten Lieder seit Ewigkeiten. Daß Fever Dream dieses Jahr wieder auf dem Festival auf dem Gelände des Midlands Railway Centre spielen würden, brauchte nicht viele hellseherische Fähigkeiten. 


Freitags spielen nur drei Bands beim Indietracks, es ist der gemütliche Start in ein ganz und gar unhektisches Festival. Fever Dream bekamen dieses Jahr den Job, das Festival um 19 Uhr zu eröffnen. Es regnete leicht, der Freitag war ohnehin nicht sonderlich gut besucht, es waren aber schon viel zu wenige Menschen vor der Outdoor Bühne.


Fever Dream sind ein Trio aus Ost-London, Sänger und Gitarrist Adrian Fleet, Bassistin Sarah Lippett und Schlagzeugerin Cat Loye. Wenn man die Aufnahmen der Band hört, könnte man denken, eine der Frauen singe, Adrians Stimme ist androgyn (sofern Stimmen das sein können). Es ist nicht sehr originell, den Stil der Band als Shoegaze zu bezeichnen, sie könnte auch in den frühen 90ern aktiv gewesen sein. Aber ich brauche nicht dauernd neue Stile oder kreativ-konstruierte Elemente, um eine Band zu mögen. Was soll heute falsch sein, das mich vor 25 Jahren begeistert hat? 

Nicht nur die wenigen Zuschauer, auch die Draußen-Bühne stand der Band nicht 100%ig. Fever Dream wirken und funktionieren in einem Club mit Sicherheit besser. Das waren aber schon meine Abers. Das Konzert war sehr gut, die Lieder der Band sind überragend! 

Fever Dream spielten Songs von Moyamoya, darunter die vielen Hits Flux, Serotonin hit, Nightcrawling und Vapours und zwei mir neue Lieder am Ende. Ghost und The squall erscheinen im Herbst auf einer Single. Das Repertoire hätte sicher viel mehr hergegeben, nach nur 37 min war leider aber bereits Schluß.

Wie schön wäre es doch, diese tolle Band auch mal in einem deutschen Club sehen zu können, dran glauben mag ich aber nicht richtig!

Setlist Fever Dream, Indietracks, Ripley:

01: Nightcrawling
02: Watch you sleep
03: Serotonin hit
04: Vapours
05: Flux
06: Dance forever
07: Ghost
08: The squall




Desperate Journalist, Ripley, 25.07.15

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Konzert: Desperate Journalist
Ort: Midlands Railway Centre, Ripley (Indietracks Festival)
Datum: 25.07.2015
Dauer: 40 min
Zuschauer: ca. 500



Kurz vor ihrem Auftritt standen angeschlagend aussehende Desperate Journalist noch am Süßigkeitenstand und tranken Espresso. Als sie dann später auf der Bühne der Lok-Reparatur Halle ihr 40-minütiges Set begannen, hatte das Koffein offenbar gewirkt. Das Konzert, auf das ich mich am zweiten Tag am meisten gefreut hatte, wurde auch das beste.

Desperate Journalist kommen aus London und bestehen seit 2013. Im gleichen Jahr veröffentlichten sie ihre erste EP Christina, 2014 erschien dann das Debütalbum Desperate Journalist.

Die Band besteht aus Sängerin Jo Bevan, Gitarrist Rob Hardy, Bassist Simon Drowner und Schlagzeugerin Caz Hellbent.

Obwohl die Halle nicht perfekt für Bands ist, bei denen der Liveklang wichtig ist, und sie bei Charme-Wettbewerben auch keinen Preis gewinnen würde, packte mich das Konzert sofort. Frontfrau Jo hat eine enorme Ausstrahlung. Sie machte keine große Ansagen und spielte stattdessen mit dem Mikrokabel und legte es sich wie ein Kettenarrangement um den Hals, war aber deutlich der Mittelpunkt der Halle. Jos Stimme ist live deutlich präsenter und rockiger als auf Platte. Wenn ich den Satz hier schon lese, stellen sich schreckliche Assoziationen ein, aber vollkommen zu unrecht! Ich dachte während der ersten Stücke immer mal wieder an Wolf Alice, die grob einen ähnlich rockigen Ansatz live haben.


Die meisten Stücke stammten vom Album, dazu kamen Wait und Christina von der EP, ein Stück, das eventuell neu ist (Phase?) und zum Abschluß die Single Organ, die als Einleitung das kurze Stone Roses Cover Elizabeth my dear hatte. Wow! 


An diesem Auftritt gefiel mir wirklich alles (Susanne, Du hast recht, auch ihre Frisur war die beste bisher)! Deshalb ist das Indietracks so toll, es bleibt jedes Jahr eine echte Perle (die Band, nicht die Sängerin!) hängen. Und wegen allem anderen natürlich.

Hätte ich die Kommentare des immer wieder extrem zu empfehlenden Magazins Platten vor Gericht Ende 2014 intensiver verfolgt, wäre ich aber auch schon früher auf Desperate Journalist aufmerksam geworden:

Dienstag, 30 Dezember, 2014 Dirk hat gesagt…
Das Album sollte sich Christoph auf jeden Fall anhören.


 



Setlist Desperate Journalist, Indietracks, Ripley:

01: Control
02: O
03: Remainder
04: Nothing
05: Phase
06: Heartbeats
07: Wait
08: Happening
09: Christina
10: Organ

Links:

- mehr Fotos (flickR)



Samstag, 25. Juli 2015

Cinerama, Ripley, 24.07.15

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Konzert: Cinerama
Ort: Midland Railway Centre, Ripley (Indietracks)
Datum: 24.07.2015
Dauer: gut 60 min
Zuschauer: einige hundert



Der Sommer 2015 wird als der Hitzesommer in Erinnerung bleiben. Meiner nicht. Nachdem ich die erste Hälfte bei einstelligen Temperaturen in Island verbracht habe, startete mein restlicher Sommerurlaub bei elf Grad auf dem Gelände des Eisenbahnmuseums in Ripley. Wenn mir Sommer in Erinnerung bleiben, dann nicht wegen des Wetters, ich erinnere mich lieber an nachhaltigere Dinge. Konzertabende wie den Indietracks-Beginn zum Beispiel. Von 19 Uhr an hatten Fever Dream, The School und Cinerama groß unterhalten. Da hätte schon mehr als leichter Regen kommen müssen, um mir das zu versauen.


Cinerama waren der Headliner des ersten Abends. Das Konzert vor genau einer Woche auf dem Pariser Hausboot Le Petit Bain (Oliver Peel Session #100) war so brillant, daß ich keine besonderen Erwartungen mehr an den Abend heute hatte. Was sollte denn auch da noch rankommen? Cinerama mit Bläsern bei perfektem Sound auf einem Schiff, dazu Wedding Present als Support. Kann man nicht besser machen.

Das Konzert beim Indietracks war nicht besser, es war trotzdem brillant. Mathematisch erklärt (Gudrun, bitte nicht mitlesen!): wenn ich unendlich mit irgendetwas addiere (Bläser, Wedding Present, Paris, Hausboot, längeres Set, Sound), ist das Ergebnis auch unendlich.

Cinerama bestanden heute aus The Wedding Present (David Gedge plus Bassistin Katherine Wallinger, Gitarrist Samuel Beer-Pearce und Schlagzeuger Charlie Layton. Dazu kamen die beiden Keyboarderinnen Melanie Howard und Danielle Wadey. Auf Bläser (wie in Paris) und Streicher und einen zusätzlichen Gitarristen (wie beim Primavera Festival) musste die Band beim Indietracks verzichten. 

Gerade die Querflöte fehlte immer mal wieder sehr (beim minutenlangen Ende von Wow beispielsweise), schlimm war das aber nicht weiter. Das Konzert bestand nur aus Hits, ob da die Flöte oder die Streicher vom Keyboard kommen, ist da wirklich kein Drama.

Die Band begann erst ohne David Gedge mit dem Instrumental-Stück Model spy. Der Sänger kam im blauen Anzug zu 146 degrees auf die Bühne. Obwohl kaum Zeit für den Umbau war (25 min) klangen die Songs hervorragend. Und sie sind es natürlich auch.

Daß die Band so früh Hits wie 146 degrees und Careless verbrät, hatte mich bei meinen bisherigen Konzerten nur am Anfang gewundert. Sie haben eben wahnsinnig viele davon. Honey Rider, Quick, before it melts, Your charms, The girl from the DDR oder das fantastische Wow am Ende... Damit kann man eine Stunde locker brillieren. 

Ich war vorher sehr unsicher, ob eine Band wie Cinerama das Indietracks-Publikum überhaupt begeistern würde. Sie war schließlich Headliner des ersten Abends. Wenn man sich umguckte, sah man aber überall mitsingende und tanzende Leute, auch bei den Liedern, die nicht auf Greatest Hits Alben erscheinen. Es war überhaupt wegen des fiesen Wetters nicht schrecklich voll vor der Hauptbühne (und insgesamt an diesem Freitag). Es waren aber nicht peinlich wenige Zuschauer beim Headliner. Und die konnte Cinerama sehr begeistern.

Auch umgekehrt schien das so zu sein. Auf den Wunsch einer Frau vor uns, doch bitte Health and efficiency zu spielen, bedankte sich David Gedge und antwortete dann lachend, das sei der schlechteste Titel aller Cinerama-Songs. Das Lied sei aber großartig. Cat girl tights direkt danach bekam dann auch eine Titel-Analyse. Gut klänge das auch nicht, vielleicht sollten sie es künftig CGT nennen.


Wie üblich bei David Gedge Bands gab es keine Zugabe. Warum auch? Mit Wow am Ende war alles gesagt!

Setlist Cinerama, Indietracks, Ripley:

01: Model spy
02: 146 degrees
03: Kerry Kerry
04: Ears
05: Careless
06: Hard, fast, beautiful
07: Mystery date
08: Honey Rider
09: Your charms
10: The girl from the DDR
11: Quick, before it melts
12: Après ski
13: Cat girl tights
14: Wow

Links: 

- aus unserem Archiv:
- Cinerama, Paris, 17.07.15
- Cinerama, Barcelona, 27.05.15 
- The Wedding Present, Arlon, 20.11.14
- The Wedding Present, Barcelona, 30.05.14
- The Wedding Present, Düsseldorf, 26.09.13
- The Wedding Present, Paris, 24.10.12
- The Wedding Present, Wien, 04.10.12
- The Wedding Present, Köln, 23.09.12
- The Wedding Present, Barcelona, 30.05.12
- The Wedding Present, Köln, 15.10.10
- The Wedding Present, Köln, 15.11.07
- The Wedding Present, Paris, 02.11.07
- mehr Fotos (flickR)
 



Sonntag, 19. Juli 2015

Cinerama (& The Wedding Present), Paris, 17.07.15

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Konzert: Cinerama (& The Wedding Present playing Saturnalia)
Ort: Le Petit Pain, Paris (Oliver Peel Session #100)
Datum: 17.07.2015
Dauer: Cinerama knapp 80 min, The Wedding Present knapp 45 min
Zuschauer: ca. 250



"Wie gefiel euch die Vorgruppe? Give them a couple of years, they'll improve!" David Gedge hatte großen Spaß an der ungewöhnlichen Situation, daß seine Erstband The Wedding Present diesmal der Support für die später gegründete Zweitgruppe Cinerama war. Das gab es bisher noch nicht. "There's a first time for everything... The Wedding Present supporting Cinerama!"

Cinerama für seine 100. Oliver Peel Session verpflichtet zu haben, war der erste brillante Streich meines Pariser Konzerttagebuch-Komplizen Oliver. Pragmatisch gleich noch The Wedding Present als Support anzufragen, der noch eine Spur cleverere. Daß The Wedding Present dann ihre Platte Saturnalia komplett spielten (auch das zum ersten Mal), war ein weiteres Sahnehäubchen auf ganzen Sahnebergen (Hausboot, toller Sound, hervorragender DJ (JB), der bei mir alleine dadurch gewonnen hatte, daß er in kurzer Folge Allo Darlin', Veronica Falls und When Nalda Became Punk spielte). 

Olivers Peel Sessions begannen 2007 mit den Yolks aus Frankreich. Ein Freund hatte die zu seinem Geburtstag eingeladen, irgendwann aber gemerkt, daß seine Wohnung dafür zu klein war. Also bat er Oliver um Feierasyl. Acht Jahre und Konzerte mit Künstlern wie Troy von Balthazar weiter, war die hundertste Session vorerst die letzte. Der Rahmen, ein Hausboot mit echtem Musikclub im Innern, war perfekt gewählt, die Bands umso mehr.

Um halb neun begannen The Wedding Present ihren ungewohnten Support-Job. Neben David Gedge (im gewohnten schwarzen Hemd) standen Bassistin Katharine Wallinger, Schlagzeuger Charlie Layton, Gitarrist Sam Beer-Pearce und Keyboarderin Danielle Wadey auf der Bühne. "Nous sommes The Wedding Present!"

Im Jahr von Olivers Wohnzimmershow-Premiere begannen The Wedding Present damit, ihre Platten an Konzertabenden komplett zu spielen. Das Debüt George Best machte den Anfang. In den Jahren danach folgten Bizarro, Seamonsters, Watusi und die Single-Sammlung Hit Parade. Saturnalia sollte ursprünglich nur bei David Gedges Festival At the edge of the sea in Brighton (im August) gespielt werden. 

Weil es auf dem Hausboot ein Vorgruppenjob war, begann die Band direkt mit dem ersten Stück von Saturnalia (Venus) und nicht mit ein paar Hits der anderen Platten zum Aufwärmen. Saturnalia war das letzte Wedding Present Album vor einer neunjährigen Pause, in der Cinerama entstand und seine ersten drei Platten veröffentlichte. Wie (pophistorisch) wundervoll passend also, vor Cinerama, Saturnalia komplett zu hören!

Das Album gilt als übersehen. "Sharper production and some of Gedge’s finest songwriting in half a decade make for an absorbing listen, the tormented heartbreak of single ‘Montreal’ a particular highlight", urteilt das Clash Magazine

Neben Montreal waren 2,3, go und Kansas besonders großartig. Extrem gut gefielen mir aber auch Lieder, bei denen Bassistin Katharine Wallinger mitsang (Dreamworld und Jet girl). Ja, Saturnalia steht sehr zu unrecht im Schatten der Vorgänger! Das bewies der 45-minütige Auftritt deutlich!

"Stick around for the main band. I hear they're really good!"

Setlist The Wedding Present, Le Petit Bain, Paris:

Saturnalia:
01: Venus

02: Real thing
03: Dreamworld
04: 2, 3, go
05: Snake eyes
06: Hula doll
07: Big boots
08: Montreal
09: Skin diving
10: Jet girl
11: Kansas
12: 50s 


Cinerama live sind 2015 The Wedding Present plus unterschiedlich viele zusätzliche Musiker. Beim Primavera Festival in Barcelona im Mai waren das Streicher, Bläser und ein weiterer Gitarrist. Auf die Streicher mussten Cinerama in Paris verzichten, die kamen vom Keyboard. Zwei Bläser gehörten aber zum achtköpfigen Ensemble, Trompeter Andrew (Blick, glaube ich) und Flötistin Elizabeth. Komplettiert wurde Cinerama von Keyboarderin Melanie Howard.



Das Konzert begann umwerfend! David Gedge fehlte noch, seine Begleiter spielten das Intrumental-Stück Model sky, wow! Model sky ist ein schönes Beispiel dafür, warum Cinerama oft mit Filmmusik charakterisiert wird. Danach kam David im Anzug und mit ihm gleich einer meiner großen Lieblinge 146 degrees. Das passte so wundervoll zum Instrumental-Auftakt, weil die Querflöte und die wundervollen hohen lala-Gesänge einer seiner Begleiterinnen bei Model sky und gleich am Anfang von 146 degrees im Mittelpunkt stehen. "Nous sommes Cinerama!"

Nach der herzergreifend schönen ersten Single Kerry Kerry folgte You're dead, das erste Lied von der im Mai erschienenen vierten Cinerama Platte Valentina. Valentina ist wie so vieles im David Gedge Kosmos besonders, es ist eine Neuaufnahme des letzten Wedding Present Albums quasi mit neuen Mitteln, mit Cinerama Arrangements. Nach dem ersten Hören im Mai gefiel mir Valentina (alt) besser als die Cinerama Herangehensweise. Nachdem ich ein paar der Stücke in Barcelona live gesehen hatte, war das schon ein wenig anders. Man muß ja auch keine der Platten besser finden, die Hüllen der Songs sind unterschiedlich genug, um als zwei andere Alben durchzugehen.

Wundervoll war danach das Duett Ears mit Danielle. Ears stammt vom ersten Album und zeigt deutlich (trotz Valentina), wie unterschiedlich Wedding Present und Cinerama klingen können. Ears ist ein herrlicher Popsong, der aber so gar nichts vom Gitarren-Indie der Erstband hat. Daß Cinerama aber nicht immer nur so klingen, zeigte Careless danach, das Dave mit "now, we're rocking" kommentierte. Im Gegensatz zu Barcelona fehlte der eine zusätzliche Gitarrist. Beim Primavera war David nur Sänger, in Paris spielte er bei vielen der Lieder, auch bei Careless Gitarre. 


Etwas später bei Mystery date von Valentina gab es die nächte schöne Besonderheit. Am Ende des Lieds spricht eine Frau auf der (Cinerama) Platte einen Text auf Spanisch. Keyboarderin Melanie hatte diesen Job live. Sie sprach den langen Text auf Französisch und wischte sich hinterher theatralisch erleichtert den Schweiß von der Stirn, nachdem es vollbracht war. Herrlich!

Von Valentina spielte die Band auf der Seine noch zwei weitere Stücke, You Jane und The girl from the DDR, von denen es übrigens auch deutsche Versionen auf der 4 Lieder EP gibt. Wäre es der Rhein gewesen, hätten wir vielleicht David diese Versionen singen hören. In Deutschland war ein paarmal das tolle Klee Cover Erinner' Dich auf den Setlisten.  

Ach, das Konzert war so schön, es hätte ewig weitergehen müssen. Honey Rider (nach der Rolle des Bondgirls Ursula Andress benannt), Dance, girl, dance ("if you're from the south of England it's called 'daaaance, girl, daaance'"), Après ski ("this concert's full of hits") oder Quick, before it melts - nur Hits!

Einer der großen Knüller beendete das Konzert und taugte auch schön als Motto. Wow. "I don't want to stay forever"? Quatsch! Ruhig hätten Cinerama alle vier Alben komplett spielen dürfen!

So ein 100. (modifiziertes) Wohnzimmerkonzert sollte ja etwas Besonderes werden. Besonders kann man wohl streng genommen nicht steigern. Der Abend war aber durchaus deutlich besonderer als gedacht! Einziger kleiner bitterer Beigeschmack: daß viel zu wenige Menschen das über Cinerama denken, was David Gedge im Laufe des Abends über ABBA sagte: "one of the greatest pop bands ever!"

Oliver: Onkel John wäre stolz gewesen!


Setlist Cinerama, Le Petit Bain, Paris:

01: Model spy
02: 146 degrees
03: Kerry Kerry
04: You're dead (The Wedding Present Cover)
05: Ears
06: Careless
07: Hard, fast and beautiful
08: Mystery date (The Wedding Present Cover)
09: You Jane (The Wedding Present Cover)
10: Honey Rider
11: Your charms
12: The girl from the DDR (The Wedding Present Cover)
13: Dance, girl, dance
14: Quick, before it melts
15: Après ski
16: Cat girl tights
17: Wow

Links:

- aus unserem Archiv:
- Cinerama, Barcelona, 27.05.15 
- The Wedding Present, Arlon, 20.11.14
- The Wedding Present, Barcelona, 30.05.14
- The Wedding Present, Düsseldorf, 26.09.13
- The Wedding Present, Paris, 24.10.12
- The Wedding Present, Wien, 04.10.12
- The Wedding Present, Köln, 23.09.12
- The Wedding Present, Barcelona, 30.05.12
- The Wedding Present, Köln, 15.10.10
- The Wedding Present, Köln, 15.11.07
- The Wedding Present, Paris, 02.11.07




Samstag, 18. Juli 2015

Phonopop Festival, Rüsselsheim, 11.07.15

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Konzert: Phonopop Festival
Ort: Rüsselsheim
Datum: 11. Juli 2015
Dauer: 8 h
Zuschauer: ca. 2000


Mein erster Ausflug zum Phonopop-Festival sollte zugleich auch mein letzter sein. Das 10-jährige Jubiläum nehmen die Veranstalter gleichzeitig zum Anlass, ihren Abschied bekannt zu geben und damit auch die Biografie des Phonopop zu beenden. Am Ende des Samstagabends bleibt mir die kleine Hoffnung, dass der Abschied vielleicht in wenigen Jahren rückgängig gemacht wird, wenn die Lust und Freude am Organisieren doch wieder groß genug und der Verlust dieses feinen Festivals zu schmerzhaft wird. 
Dieses Festival war für mich eines der wohltuend kleinen und sehr feinen im großen Chor all der Sommerfeste, die um Zuschauer buhlen. Das beginnt mit einer sehr konsequenten Künstlerauswahl, dem Verweigern gegen Mode- und Radiotrends und dem Vertrauen auf den eigenen Geschmack und damit auf Künstler, die nicht jedem bekannt sind und damit bei den Besuchern immer wieder Entdeckerlust wecken. Das geht weiter bis zur liebevoll ausgestalteten Location im alten Opel-Werk in Rüsselsheim. Da wird für Erfrischung mittels Wassersprühschlauch gesorgt, da hängen große Origami-Vögel in den Bäumen und die Fenster auf dem Weg zwischen den beiden Bühnen sind nachts von innen stimmungsvoll beleuchtet.
Die beiden Bühnen des Festivals liegen 2 Höfe auseinander und werden abwechselnd bespielt, so dass man jede Band sehen und hören kann. Das spart Zeit beim Umbau und gibt jedem die Chance, alle Konzerte mitzunehmen und den Künstlern die Möglichkeit, alle Gäste vor ihrer Bühne zu versammeln. Außerdem bleibt man zwischen den Konzerten in Bewegung und für mich mit Kamera war es perfekt, um für die Fotos immer einen Platz in bester Sichtweite zu bekommen.

Inner Tongue
Als ich das Gelände betrete, spielen Inner Tongue gerade ihre letzten Songs. Die Wiener Band blieb mir daher nicht so recht in Erinnerung.

Caroline Keating
Ihr Album „Silver Heart“ begleitet ich seit geraumer Zeit immer wieder und deshalb freute ich mich auf ihren Auftritt besonders. Caroline Keating begleitete sich selbst an ihrem E-Piano und spannte einen Bogen über bekannte und neue Songs. So sparsam der Auftritt instrumentiert war so spannungsreich wirkte doch ihre Stimme und fesselten ihre Lieder die Zuhörer knappe 45 Minuten.

Still Parade
Die ersten Takte, die ersten Songs verbreiteten Sommergefühle und passten zu den Temperaturen. Irgendwie war es, als ob der Strand gleich um die Ecke lag. Still Parade aus Berlin werden mit ihrer Musik in der Kategorie Dreampop/Dreamfolk verortet, für mich spielten sie ziemlich luftige Popsongs und sorgten so schon für ausgelassene Stimmung und Erfrischung. Auf jeden Fall werde ich diese Band und ihre Entwicklung weiter verfolgen.

John Bramwell
John Bramwell ist der Sänger von I Am Kloot und hier und heute als Solist unterwegs. Gerade so hat er es vom Flughafen nach Rüsselsheim geschafft, dabei seine Gitarre aber am Gepäckband nicht bekommen. Die Organisatoren haben ihm schnell einen Ersatz besorgt und so Stand dem Konzert nichts im Wege. I Am Kloot habe ich vor 2 Jahren im Dresdner Beatpol gesehen und höre nun die Songs der Band in einem akustischen Gewand. Heute leben sie von John Bramwells Stimme und der Art, wie er die Songs ankündigt und dann vorträgt. Lustig ist es schon, wenn er verschiedene Songs mit den selben Worten ankündigt als Lieder, die vom Trinken und Problemen handeln. Dann versenkt er sich in die Akkorde, schließt die Augen und lässt die Songs über den Hof fliegen.

Tiger Lou
facebook.com/TigerLou.official 2008 veröffentlichte die schwedische Band ihr letztes Album „A Partial Print“ und begeisterte mich damit vollkommen. 2 Konzerte ihrer anschließenden Tour habe ich besucht und dann wurde es ruhig um die Band, ihr Frontmann Rasmus Kellerman veröffentlichte noch ein recht katastrophal belangloses Soloalbum und damit hatte ich die Band aufgegeben. Um so erfreuter war ich, als ich las, dass Tiger Lou an neuem Material arbeiten und für 3 Konzerte nach Deutschland kommen, unter anderem zum Phonopop. Tiger Lou waren für mich der Anlass, die Tickets zu holen und hierher zu kommen. Und sie enttäuschten mich nicht. Tiger Lou präsentierten sich in Bestform, wie man bei Sportlern sagen würde. Die typische Bandbesetzung erweiterte diesmal Amanda für 2 Titel an der Trompete. Es gab bekannte Songs der bisherigen Alben und 2 neue als Ausblick auf eine demnächst erscheinende EP. Tiger Lou spielten sehr energiegeladen und mit einer Spielfreude als wären sie nie weg gewesen. Die neuen Songs fügten sich nahtlos in das Gesamtkonzert ein und so war ich mit der Band versöhnt und freue mich auf weitere Konzerte und Veröffentlichungen.

Okta Logue
Wir nähern uns dem Abendprogramm und damit den beim Publikum bereits mehrheitlich bekannten Künstlern. Und Okta Logue gehören als Lokalmatadoren quasi dazu. Hier haben sich Pink-Floyd-Jünger gefunden, die Riffs weitergesponnen und eigene Songs daraus entwickelt. Mittlerweile gibt es 2 Alben, Okta Logue waren schon als Vorband von Portugal.The Man unterwegs, wo ich sie zum ersten Mal wahrgenommen habe. Beim Phonopop haben Sie die Akzente - absichtlich oder nicht - so auf die Musik gelegt, der Gesang war kaum zu verstehen. Für mich ein bisschen schade, für die Fans war das offenbar kein Nachteil, die Band wurde gefeiert.

Two Gallants
Diese Band war für mich wie ein Meteoriteneinschlag. Ich hatte bisher nichts von ihnen gehört und ließ mich an dem Abend einfach überraschen. Und dann begannen Adam Stephens und Tyson Vogel ihr Set mit Gitarre und Schlagzeug und spielten nach dem Motto, hier werden keine Gefangenen gemacht. Es gab von Anfang ordentlich auf die Ohren und mächtig Druck aus den Boxen. Dabei spielen die beiden schon auch die feinen Saiten und streicheln die Becken. Dennoch schien es mir immer wieder, als arbeiten sich Two Gallants an einer inneren Zerrissenheit ab und finden Zuflucht nur im Aufbau von Klangkaskaden und -gewittern. Kurz gab es Erholung für das Publikum, als Adam Stephens sich ans Piano setzte. So gewaltig sich der Auftritt in die Ohren und Augen prägte, so wenig berührte mich die Band innerlich.

TripAdLib
Nicht nur beim Kosmonautfestival gibt es geheime Headliner. Auch beim Phonopop war ein Überraschungsgast angekündigt. Aus Mainz kommt TripAdLib und spielt einen Clubsound den ich nur aus Konserven kenne. Anfangs war ich überrascht, neben 2 Computern auch Schlagzeug und Bass auf der Bühne zu sehen, mit zunehmender Dauer ist diese Art Musik für mich leider zu langweilig.


Inzwischen war es spät in der Nacht und meine Energie auf The Temples zu warten erschöpft. So gibt es von mir leider keinen Bericht zum Finale und der allerletzten Band des Phonopop. Bleibt der Gesamteindruck, dass ich dieses Festival leider viel zu spät entdeckt habe und es bleibt die schwache Hoffnung, dass das Phonopop vielleicht doch irgendwann wieder ersteht.

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Freitag, 17. Juli 2015

Scott Matthew, Karlsruhe, 15.07.15

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Konzert: Scott Matthew (Trio)
Ort: Zeltival am Tollhaus in Karlsruhe
Datum:  15. Juli 2015
Dauer: 100 min
Zuschauer:  etwa 150


Über Scott Matthew hatte ich lange nur gelesen und beim reinhören nicht das Gefühl gehabt, dass die Musik wirklich für mich ist: Alles zu weinerlich. Ich hatte dann das Glück, dass mir ein ganz besonderes Konzert mit diesem Troubadour zwischen die Beine kullerte. Beim Orange Blossom Special im Jahr 2012 war ein Slot kurzfristig frei geworden und als Glitterhouse Künstler ergriff Scott diese sich bietende Gelegenheit in seiner ganz eigenen Art. Sehr unernst und spaßig und doch zugleich innig bot er uns Versionen von Liedern der Popgeschichte, die Cover zu nennen zu kurz griffe, so sehr hatte er sie sich anverwandelt. Dazwischen erzählte er viel und angeregt und war wohl gerade dabei, sich davon zu erholen, dass er eben keine Stimme gehabt hatte und überhaupt mit der ganzen Musik aufhören hatte wollen.


In der Zeit seitdem - immerhin drei Jahre nun - wurde das Material dieses denkwürdigen Konzerts zunächst zum Coveralbum Unlearned (2013) geformt und  im Frühjahr 2015 steht sein neustes Album This here defeat in den Regalen, dessen Titelsong in einer ersten Version auch in Beverungen zu hören gewesen war. Insofern folgte ich der Einladung des Zeltivals zu einem Konzert mit Scott Matthew besonders neugierig. Wie würde ein ganzer Abend mit all der Melancholie sein und würde die Bühnenversion der Liederbastarde auch so liebenswürdig auf mich wirken?


Auf der Bühne wurde Scott Matthew unterstützt durch den langjährigen Partner - vor allem an Gitarre und Bass Jürgen Stark und einen ebenfalls bewährten Kollegen Sam Taylor meist an Cello, aber auch an Bass, Ukulele und Gitarre. Nachdem sie schon fast den ganzen April mit dem neuen Album durch Deutschland und Europa getourt waren, wurden noch einmal zwei Sommerkonzerte in Deutschland "nachgelegt" und ich fand, man merkte ihnen an, dass sie darauf sehr viel Lust hatten. Lust hatte auch das Publikum. Denn schon der sehr ruhige und sehnsuchtsvoller Auftakt mit wenig Ukulele und Satzgesang bei Soul to save ließ alle andächtig versinken und setzte die Stimmung für den ganzen Konzertabend.


Scott war immer wieder erfreut und gerührt über diese ihn tragende Aufmerksamkeit und den Beifall, die Zurufe aus dem Publikum. Für den Anfang hatte er vor allem Songs des aktuellen Albums, dann wanderte er ein bisschen durch die davor liegenden Alben und gegen Ende verdichteten sich die Cover. Ganz unverstellt und unüberarbeitet bot sich freilich der Künstler dabei, immer ganz bei sich selbst und dem Moment verpflichtet und sicher macht das seine große Stärke im Liveerlebnis aus.


Die Essenz dessen für mich war schließlich die erste Zugabe - Annie's Song - sicher nicht nur für mich  der Moment des Abends. In aller Dunkelheit des Liedes zugleich so vieles, das einem selbst Licht ins Herz senkt und tief beseelt und dankbar macht. Eigentlich durch nichts mehr zu überbieten. Aber unter dem Eindruck der aktuellen Nachrichten des Tages (*) war Into my arms - ohnehin eines meiner liebsten Lieder überhaupt - nicht nur grandios sondern auch ein Versuch der Versöhnung mit der Tatsache, dass uns das Leben manchmal ganz schöne Brocken in den Weg wirft und der Tod uns mitten im Leben erwartet.


Diesen Gedanken weiter spinnend setzte In the end vom Debütalbum (so wie Upside down und Abandoned) einen würdigen Schlusspunkt unter dieses so überaus starke Finale: 
  As your last breath begins/Contently take it in
  Cause we all get it in /The end


Setlist:
01: Soul to save
02: Effigy
03: The wonder of falling in love
04: Constant
05: This here defeat
06: Here we go again
07: I wanna dance with somebody (Whitney Houston cover)
08: Duet
09: Friends and Foes
10: Language
11: German
12: L.O.V.E. (Dean Martin cover)
13: Smile (Charlie Chaplin cover)
14: Abandoned
15: Anarchy In The U.K. (Sex Pistols cover)
16: Upside down
17: Darklands (The Jesus and Mary chain cover)

18: Annie's song (John Denver cover, Z)
19: Into my arms (Nick Cave cover, Z)
20: In the end 


Tourdaten:
14.07.2015 - Lörrach - Stimmen Festival
15.07.2015 - Karlsruhe - Zeltfestival
25.07.2015 - Vasto - Siren Festival

04.12.2015 - Ebensee - Kino
05.12.2015 - Wien - W.U.K.
06.12.2015 - Dresden - Societaetstheater
11.12.2015 - Steyr - Roeda
12.12.2015 - Dornbirn - Spielboden
13.12.2015 - Berlin - Heimathafen Neukölln


Aus unserem Archiv:
Scott Matthew, Stuttgart, 11.12.13
Scott Matthew, Beverungen, 26.05.12

Scott Matthew, Paris, 10.10.11
Scott Matthew, Frankfurt, 01.10.11
Scott Matthew, Paris, 02.11.09
Scott Matthew, Köln, 30.05.09
Scott Matthew, Haldern, 09.08.08

 

Mittwoch, 15. Juli 2015

Phono Pop Festival X, Rüsselsheim, 10. & 11. Juli 2015

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Konzert: Phono Pop Festival X
Ort: Altes Opelwerk, Rüsselsheim
Datum: 10. & 11. Juli 2015
Zuschauer: ein paar hundert, es hätten ruhig noch ein paar mehr sein können


Man könnte schon ein bisschen wehmütig werden, wenn man am späten Freitagnachmittag vom Opel-Bahnhof an den Bahngleisen entlang im angenehmen Sonnenschein zum Klinkerbau des alten Opelwerks in Rüsselsheim läuft, die Statue des Firmengründers vor dem Eingang wie einen alten Bekannten begrüßt und kurz darüber nachdenkt, dass dies aller Voraussicht nach das letzte Phono Pop Festival sein wird. Tatsächlich gilt es aber natürlich zuerst noch einmal dieses traumschöne und liebevoll organisierte Festival in vollen Zügen zu genießen und damit dies ungetrübt der Fall sein kann, wartet die diesjährige Ausgabe mit Kaiserwetter und einer extrem gelungenen Bandauswahl auf. 


Mit den fünf Jungs von Yesterday Shop geht’s gleich mal schön poprockig los, phasenweise sogar mit doppeltem Schlagwerk. Die nachzulesenden Coldplay-Einflüsse der mittlerweile aus dem Raum Reutlingen nach Berlin übergesiedelten Band sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Live haben die Songs allerdings erheblich mehr Druck und Energie als die Studioaufnahmen. Ein bisschen fehlt vielleicht noch der eine, wirklich hängen bleibende Megasong, aber die Chancen hierfür stehen bestimmt nicht schlecht. Ein sehr schöner Auftakt.  


Sehr haarig schließen sich auf der etwas größeren zweiten Bühne im nächsten Hof einmal um die Ecke die aus Oklahoma stammenden Other Lives an. Ganz gelingt es mir um diese Tageszeit noch nicht mich auf die träumerisch mehrschichtigen durchaus sehr spannenden Klänge der Amerikaner einzulassen. Zusätzlicher Trompeteneinsatz, Orgelklänge, Violinen, ein bisschen Glockenspiel und die etwas klagend klingende Tonlage von Sänger Jesse Tabish haben auf jeden Fall großes Potenzial, einen in ganz andere Welten zu entführen und ich hoffe auch, dass ihnen das bei unserer nächsten Begegnung gelingen wird. 


Erlend Øye sieht ein bisschen aus wie ein zu groß geratenes Bandenmitglied der Kleinen Strolche, auch wenn er dieses Jahr noch 40 wird. Und seine Fröhlichkeit ist unglaublich ansteckend. Er war mir mit seinen musikalischen Projekten stets irgendwie präsent. Die Kings Of Convenience liefern einen nahezu immer geeigneten Soundtrack für einen gemütlichen Abend mit Freunden und The Whitest Boy Alive habe ich leider zweimal live knapp verpasst. Um so schöner, dass es jetzt endlich klappen sollte und das neue leicht reggaeangehauchte Album Legao ist wie geschaffen für diesen angenehm lauen Sommerabend auf dem Fabrikgelände. 
Eine nette Auffrischung des kürzlichen Islandaufenthalts gab’s auch noch. Kaum war mir zu Ohren gekommen, dass der groß gewachsene Mulitinstrumentalist hinterm Keyboard ja übrigens Isländer sei, durfte Siggi auch schon die gesamte Bühne übernehmen und ein Lied in seiner lustig klingenden Muttersprache zum Besten geben. Und weil der Norweger Erlend überwiegend im viel sonnigeren Italien lebt und zwei Bandmitglieder seiner Rainbows Italiener sind, gibt’s auch noch ein bisschen gesungenen Italienischunterricht. Vielen Dank liebe Phono Pop Macher für diesen perfekten Headliner des ersten Abends. 


Meine jährliche Dosis Hip-Hop hatte ich gewissermaßen schon die Woche zuvor auf dem ATP Iceland mit einem packenden Auftritt der Altrapper Public Enemy gedeckt. Was Käptn Peng & die Tentakel von Delphi in Sachen deutschem Hip-Hop gekonnt zusammenreimen, macht ebenfalls Spaß und fehlender Einsatz von Audiosamples, also sozusagen handgemachter Live-Rap, kriegt mich dann auch durchaus ein zweites Mal. Um den Wortwitz nachzuvollziehen, muss ich dennoch bei Gelegenheit, vermutlich unter Zuhilfenahme von Google & Co, noch ordentlich nachlesen & -hören. Das sehr leckere Festival-Sponsoren-Bier zeigte auch schon Wirkung. 


Pünktlich und wieder nüchtern geht’s am nächsten Tag für uns weiter. 


Caroline Keating erzählt uns erstmal wie besonders stolz sie auf ihre tolle orangefarbene Hose heute sei, als sie sich am frühen Mittag an ihr E-Piano setzt. Die Hose schmeichelt ihrem sommersprossigen Teint tatsächlich ausgesprochen und die Kanadierin versteht es außerdem hervorragend ihren entzückenden Charme mit ihrer zarten Musik zu verbinden. Singer/Songwriterin am Klavier klingt ja mal zunächst nicht sonderlich aufregend. Ist es aber. Es war absolut zauberhaft und mir fehlten auch keine Begleitmusiker. Nach eigenem Bekunden arbeitet sie derzeit fleißig an neuem Material auf das man sich bereits freuen kann.


Am Samstag parkt ein Eistruck auf dem Weg zwischen den beiden Bühnen und eigentlich kommt man da nicht ohne ein Eis zu kaufen dran vorbei. Im Adamshof spielt sich John Bramwell , wahrscheinlich etwas besser bekannt als Sänger von I Am Kloot, ganz alleine warm. Der Hof war leer. Ein spannender Anblick beim Eisschlecken. 
Als es dann wirklich losgehen soll, ist der Gitarre zunächst kein verstärkter Ton zu entlocken. Der gute Herr Bramwell war nämlich ohne seine Gitarre in Rüsselsheim gelandet und tat sich mit dem fremden Ding etwas schwer. Und auch seine Setlist und sein Handy waren wohl abhanden gekommen wie er im Lauf des Auftritts erzählt. Weil er daher nicht selbst in der Lage ist ein Erinnerungsselfie zu machen, wurde kurzerhand der am Bühnenrand stehende Fotograf nach oben gezerrt, um einen winkenden Engländer und ein jubelndes Publikum von hinten zu fotografieren.


Nach einem weiteren Lied – die Gitarre funktionierte inzwischen - hüpft er von der Bühne und nimmt einem rauchenden Mädchen die Kippe aus der Hand, um mal kurz einen Zug zu nehmen. Er rauche ja schon länger nicht mehr, aber bei so einem Konzert …! Einmal sei er mit dem neu aufgenommenen Demotape im Autoradio durch die Gegend gefahren und wäre so entzückt von seinem eigenen neuen Song gewesen, dass er vor Rührung kurz habe anhalten müssen. Er lacht. „The sad thing about it, it’s a true story.” 


Ein bisschen selbstverliebt, herrlich britisch, leicht verschroben, einen Zahnarzt könnte er vielleicht auch bei Gelegenheit mal wieder aufsuchen. Aber er ist auch grundsympathisch und ich persönlich mag solche Geschichtenerzähler ausgesprochen gern, vor allem dann, wenn sie auch musikalisch noch zu überzeugen wissen und das tut John Bramwell mit seinem Können an der Leihgitarre und seiner ganz leicht knarzigen, sehr angenehmen Stimme zwischen Blues und Singer/Songwriter-Rock. 



In jedem guten Festival-Lineup sollte eigentlich eine schwedische Band enthalten sein. Am Samstag wird dieser Slot mit der Rückkehr von Rasmus Kellermans Bandprojekt Tiger Lou gefüllt, das mal wieder alles hat, was schwedische Musik häufig ausmacht: poppig, tanzbar, ein bisschen folkig und trotzdem melancholisch, sehnsuchtsvoll und traurig.

 
Schnipo Schranke muss man vermutlich lieben oder hassen. Mir ist das Soundkonstrukt etwas zu eintönig und die Texte treffen ganz und gar nicht meinen Wohlfühlbereich. Zu viel Kopfkino für mich, aber ich kann auch verstehen, dass viele Zuhörer von den rotzigen Ansagen und schamgrenzwertigen Zeilen fasziniert sind. Es ist auf jeden Fall anders und alles andere als gewöhnlich.


Die vier Herren von Okta Logue sind badeseetauglich gekleidet als sie kurz vor 8 die große Bühne betreten. Vielleicht kommen sie ja direkt da her. Sie haben es schließlich nicht weit nach Rüsselsheim, obwohl sie so ganz und gar undeutsch und auch ein bisschen aus der Zeit gefallen klingen mit ihren breiten psychedelischen Soundwänden mit viel Orgeleinsatz. Großartig und schön zu beobachten. Einzige kleine Einschränkung: Im dunklen Club mit einem Hauch Alkohol im Spiel gefallen sie mir noch ein ganz kleines bisschen besser. Da würde ich mich dann auch nicht so sehr an den Äußerlichkeiten aufhalten.


Nach den vielen wunderschönen ruhigen Momenten freuen wir uns nach der Okta Logue Einstimmung sehr auf eine Runde laut und krachig. Eigentlich dürfte ich das als Stuttgarterin ja noch nicht mal laut sagen, aber ich hatte es bis dahin tatsächlich nicht geschafft, die spätestens seit Anfang des letzten Jahres schwer gehypten Die Nerven live zu sehen. Man nimmt ja immer an, dass sich die Gelegenheit in der Heimatstadt einer Band dauernd und immer wieder ergeben wird.


 
Auch war ich noch etwas skeptisch, nachdem ein Freund gemeint hatte, dass er tatsächlich drei Anläufe benötigt hätte, um die drei Jungs richtig gut zu finden. Die wird es für mich tatsächlich nicht brauchen, auch weil die Band zwischenzeitlich vermutlich genug Erfahrung gesammelt hat, um sich nochmal zu verbessern und live schon mit dem ersten Song zu überzeugen. Ich hatte irgendwie mehr Schrammel- Drei-Akkord-Punk erwartet, weil reingehört hatte ich auch noch nicht in der gebotenen Ausführlichkeit. Das allerdings sehr bewusst, denn Die Nerven machen Musik, die mich primär erstmal live kriegen muss.


Bassist Julian Knoth und Gitarrist Max Rieger wechseln sich beim Gesang ab oder singen auch schon mal gemeinsam und das so gut und harmonisch, dass man den dunklen, häufig zornigen Texten durchaus folgen kann. Tausendsassa Kevin Kuhn am Schlagzeug trommelt wie irre und hat eine Mimik, die The Animal aus der Muppet Show alt aussehen lassen. Der Punk klingt durch, aber es ist viel mehr. Schön postrockig düster, laut und tanzbar. 


Leider hatten es Two Gallants nach dem packenden Nerven-Erlebnis ziemlich schwer bei mir. Obwohl die beiden Amerikaner durchaus in der Lage sind, wie eine mindestens 6-köpfige Band zu klingen. Sänger/Gitarrist/Keyboarder Adam Stephens verfügt über eine wahnsinnige Rockröhre und Tyson Vogel versteht sein Handwerk an den Drums ebenfalls bestens . Nach den ersten zwei Liedern kommt die vor bald drei Jahren schon mal erlebte Energie der beiden schließlich doch noch an und auch wenn die neuen Lieder nicht ganz an das ältere Material heranreichen, bleiben die Kalifornier für mich die vielleicht beste Rock-Blues-Folk-Umsetzung im minimalistischen Zweierteam.


Vor den Temples verabschieden sich die drei Macher des Phono Pops tatsächlich unter auffordernd gemeinten Pfiffen und traurigen Buh-Rufen von ihrem letzten Publikum. Es war grandios. Wie erwartet und auch wenn ich nach 8 Stunden Musik und fast so viel Sonne langsam etwas erschöpft bin, sind die Temples mit ihrer retropsychedelischen Musik, deren moderne Anleihen an 60er-Jahre Beatles und Co von den jungen Engländern hervorragend umgesetzt werden, ein gelungener Ausklang dieses ganz und gar gelungenen Festivals.


Weitere Bilder:


 

Konzerttagebuch © 2010

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