Donnerstag, 14. August 2014

Haldern Pop Festival, 1. Tag, 07.08.14


Haldern Pop Festival, erster Tag, 07.08.2014
Ort: Reitplatz Rees-Haldern, Niederrhein, NRW
Datum: 07.08.2014
Zuschauer: ein paar tausend
Konzertdauer: Konzerte von 16 Uhr 30 bis 2 Uhr 25



Nachdem mich meine Frau nach fast 20 Jahren gemeinsamen Jahren verlassen hatte und mein alter Kumpel Christoph auch auf das Haldern Pop 2014 verzichtete, war ich zum ersten Mal seit fast 10 Jahren allein zu diesem wundervollen Festival angereist. Einsam fühlte ich mich dennoch nicht, denn am Niederrhein sind die Leute laut, herzlich, wahnsinnig nett und sehr kontaktfreudig und hilfsbereit. Als ich am letzten Tag trotteligerweise nicht mein kleines Zelt zusammengebaut bekam, half mir spontan ein Mädel, das mich vom Auto aus gesehen hatte und unschwerlich mitbekam, daß ich das nicht alleine schaffen würde... Zwei Tage vorher hatte mir ein netter Zeitgnosse mit zwei Haldern Pop Talern ausgeholfen, als ich ahnungslos und ohne Zahlmittel fürs Duschen anstand und als ich an der Reihe war, nicht flüssig war. Am gleichen Tage hatte mir ein bereits etwas älterer Festivalteilnehmer in der Haldern Pop Bar freiwillig  seinen genialen Platz auf einer Bank überlassen, von wo aus ich wunderbar das Konzert sehen und Fotos schießen konnte.

Drei Beispiele die verdeutlichen, wie herzlich und freundschaftlich es auf dem Haldern zugeht. Nein, allein fühlte ich mich keineswegs. Eher als Teil einer großen Haldern Familie, selbst wenn das ein wenig kitschig klingen mag. Aber das mit der Familie stimmt nun einmal, denn viele viele Leute kommen jedes Jahr wieder, die Treue der Besucher zu diesem Festival ist einzigartig und wohl kaum woanders so anzutreffen. Da sieht man dann schon gleich bei der Ankunft die ersten altbekannten Gesichter. Manche kennt man schon von früheren Plaudereien, mit anderen hat man nie gesprochen, aber man erinnert sich gerne an sie.

Ein Festival bei dem man sich wohlfühlt also, bei dem ein angenehmes Gemeinschaftsgefühl herrscht, bei dem man merkt, daß da viel Herzblut drinsteckt und viele freiwillige Helfer ihr Bestes geben, damit die Musiker und Gäste gute Bedingungen haben. Freilich ist Haldern Pop auch ein wenig Opfer des eigenen Erfolges geworden, denn sowohl Spiegelzelt als auch Haldern Pop Bar und das kleine Keusgen Tonstudio sind regelmäßig heillos überfüllt und viele Leute stehen stundenlang Schlange um reinzukommen. Das erzeugt einen gewissen Frust, wenngleich viele eine Engelsgeduld bewiesen und brav warteten, bis sich der Sesam irgenwann für sie öffnete. Ich selbst hatte meine liebe Mühe und Not und dies obwohl ich dank meines Fotopasses privilegiert war und viel schneller durchkam. Einmal drin versperrten mir die etlichen riesig groß gewachsene Musikfans die Sicht auf die Bühne. Selten habe ich so viele Riesen in einem Raum gesehen, man fühlte sich teilweise wie bei einem Treffen von Baketballteams. Insofern waren die Konzerte im Spiegelzelt für mich meistens nur wie Hörfunk, die Bands selbst konnte ich selten einmal richtig erspähen, zumal ein Durchkommen nach vorne unmöglich war. Das Regenwetter am Freitag förderte die Fülle im Spiegelzelt noch zusätzlich. Von der Hitze, die da drinnen herrschte, will ich lieber gar nicht reden.

Aber kommen wir doch mal zu den einzelen Konzerten und da gleich zum Highlight. Das war natürlich ganz klar der langgelockte Amerikaner Kurt Vile, der zusammen mit seiner Band um kurz vor Mitternacht auf der Byzanz Stage (vormals Beergarden Stage) 50 min lang höllischen, aber wohlklingen Lärm produzierte. Die Gitarrenriffs kamen wirklich saulaut aus den Boxen, aber vielleicht empfand ich das auch nur so, weil ich vorne im Fotograben rumeierte. Auf jeden Fall war der Druck zehnmal größer als auf Platte und das tat den Songs nur gut. Besonders ein gitarrenlastiger Track wie Jesus Forever mit seinen perlenden Licks sprudelte wie frisch geöffneter Champagner und klang lässig wie alles von Kurt Vile. Schon Waking On A Pretty Day zuvor war wahnsinnig cool und herrlich verträumt. Mit Hunchback wurde dann richtig noisig und stonerrockig zu Werke gegangen und nun schrie Vile fast. Krönender Abschluss war dann schließlich eine fulminante Version von Freak Train ("Train, train, train!"), bei der Kurt mit seinen langen Haaren fast den Boden fegte. Unter dem Strich ein starkes Konzert von einem der wichtigsten US-amerikanischen Musiker der letzten Jahre. Das Erbe von Bob Dylan und Lou Reed wird von ihm würdig verwaltet.

Ansonsten war der Donnerstag für mich an Höhepunkten nicht sonderlich reich. Die Fat White Family mochten viele Zuschauer sehr, aber ich konnte mit den durchgeknallten Briten mit den nackten Oberkörpern nicht sonderlich viel anfangen. Musikalische Vergleiche konnte man zu The Fall, The Clash, den Cramps oder Gun Club ziehen, aber irgend etwas sonderlich Neues hörte ich in der Musik der kontroversen Band nicht heraus. Sie gelten in Großbritanien als Provokateure und als Leute, die das gesamte Musikbusiness ins Lächerliche ziehen, schliffen aber an der Lächerlichkeitsgrenze selbst oft nur knapp vorbei.

The Districts im Spiegelezelt sagten mir mit ihrem Indie-Rock da schon mehr zu, vor allem die würzig-verrauchte Stimme des Sängers Rob Grote.Von ihrem Set bekam ich allerdings nicht sonderlich viel mit, beobachten sollte man die Band aus Pennsylvania aber dennoch. Royal Blood die nach ihnen im Spiegelzelt antraten waren mir allerdings viel zu hart und bluesig, schon die Black Keys und Jack White höre ich zur Zeit nicht gerne, insofern sagten mir Royal Blood auch nicht wirklich zu. 


Mehr Spass hatte ich mit den vielköpfigen Trampled by Turtles, die mit ihrem flotten Bluesgrass und ihren guten Melodien die Byzanz Stage bespielten. Ihr Set war ansprechend, aber die Band mit Fiddel, Banjo und Mandoline mir ein wenig zu altbacken, sie wirkten sehr sympathisch aber nicht sonderlich innovativ. Zum Abschluss des Tages sah ich mir auch noch Benjamin Celementine im Spiegelzelt an, aber die Sensation von 2014 war musikalisch überhaupt nicht mein Fall. Soulmusik, am Piano vorgetragen, diese Gebräu hielt ich nur drei Lieder lang durch, dann ging mir das Ganze auf die Nerven und ich stapfte müde in mein kleines Zelt, fand aber ob des Lärmes von ein paar Störern kaum Schlaf. Auch mein Kissen war ungenehm hart und auf die Kühle der Nacht folgte die Hitze des nächsten Morgens...



 

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