Samstag, 28. Dezember 2013

Peter Hook And The Light, Fontenay-sous-Bois, 20.12.13


Konzert: Peter Hook And The Light (Frankei Rose,Yuck)
Ort: Salle Jaques Brel, Fontenay-sous-Bois bei Paris
Datum: 20.12.2013
Zuschauer: 800 geschätzt
Konzertdauer: Frankie Rose 35, Yuck 45 und Peter Hook 80 Minuten



Die Erwartungen an diesen letzten Gig des Jahres waren turmhoch. Peter Hook und seine Light hatte ich zuletzt in einer lauschigen Sommernacht im Süden Frankreichs unter Pinien gesehen und der Auftritt des grimmig wirkenden Bassisten der Kultbands Warsaw, Joy Division und New Order am 26. Juli beim Midi Festival  ein Oberknaller. Damals spielte er allerdings auschließlich Stücke der Gruppe von Ian Curtis, Material von New Order wurde bis auf Ausnahmen des Zwitters Ceremony ausgespart.

Am heutigen 20. Dezember sollte das anders sein. Da wurde schon im Vorfeld bekannt, daß auch Titel der Nachfolgeband von Joy Division performt werden sollten. Die Geschichte fand in einem Audimax ähnlichen Raum im Pariser Vorort Fontenay-sous-Bois satt. Schon die Anreise war ein kleines Erlebnis, denn per Shuttle Bus wurden die Pariser gratis dorthin kutschiert. Das hatte was von einer Klassenfahrt, zumal die Businsassen fast alle eingefleischte Konzertgänger und somit Freunde und Wegbegleiter waren. "Heute hauen wir auf die Pauke (bzw auf die Kacke?)!" hätte ich auf der Fahrt am liebsten gerufen, aber das hätten die Franzosen eh nicht verstanden, also unterließ ich das.

Vor Ort angekommen fanden wir uns schnell im Audimax des Salles Jacques Brel ein. Mein erster Eindruck war eher ernüchternd. Die Venue war weitestgehend bestuhlt und nur der vordere Bereich vor der Bühne bot Stehplätze an. "Peter Hook plays Joy Division und New Order" und die Leute bleiben dazu sitzen, als würden sie in der Oper sein? Hallo?!

Ich persönlich bezog natürlich sofort in Bühennähe Stellung. Zwei Vorgruppen wurden und geboten, mit Frankie Rose und Yuck wahrlich nicht die Schlechtesten.


Um 22 Uhr 30 dann aber endlich Peter Hook and The Light. Seinen etwas pummeligen Sohn hatte ich schon während der Vorbands durch die Halle latschen sehen, nun erlebte ich ihn live on stage wieder. Die anderen Musiker sagten mir namentlich nichts, aber vom Midi Festival und vom super Gig im Pariser Trabendo 2012 wußte ich, daß sie ausgezeichnet waren. Daß sie gesichtslos bleiben sollten, lag schließlich am ungeheuren Charisma ihres Frontmannes. Als Peter Hook mit einem Comic Weihnachts T-Shirt den Platz hinter seinem Mikro einnahm und nach Abspulen des Kraftwerk Intros Trans Europe Express (die englischer Version) "Bonsoir Paris, comment ça va?" wünschte, schaute ich fortan fast nur noch ihm zu.


Der Übersong Ceremony wurde abgefeuert und dies gleich zur Eröffung. Der Wahnsinn! Wie sollte das bloß noch weitergehen? Schon nach ein par Takten war mir klar, daß der Abend groß werden würde. Der Sound war brillant, laut, aber glasklar, ungeheuer druckvoll und perfekt ausgesteuert. Die Halle wurde integral beschallt, die Ohren wurden wahrlich verwöhnt. Die Band spielte mit 300 km/h und sofort auf Sturm. Das erinnerte mich an eine Fußballmanschaft, die schon in der ersten Minute ein Tor erziehen wollte. Volle Kraft voraus, Anriff ist die beste Verteidigung! Auch das Publikum ging sofort voll ab, zumal mit Day in Day Out nun ein agressiver Punksong gebracht wurde. "Day in day out" brüllte Hooky brutal und gemein wie in Hooligan. "I need you here dont ever fade away, Fade away, fade away!!" knurrte er zonrig etwas später.

Isolation kam sofort im Anschluß daran, ohne jeglichen Übergang. Zum ersten Mal wurd es etwas elektronischer. Der Drummer spielte wie besessen und schnell wie ein Teufel, trieb sein Vordermannschaft wie ein Irrer an. Auch der Bass klang total scharf, egal ob ihn jetzt Hookys Sohn oder er selbst zupfte. Schließlich musste Peter singen und das tat er sagenhaft gut.

Wieder ohne Übergang ging es mit Disorder weiter. Es wurde noch einmal 40 km/h schneller gespielt. Die Albumversionen wurden extrem aufgepeppt und mit einem nie dagewesenen Druck abgefackelt. Schwer zu beschreiben, wie geil das war, viele Leute hatten ein Dauergrinsen in der Fresse und wurden das auch bis zum Schluss nicht mehr los. "I got this spirit, don't lose this feeling! feeling!! feeling!!!"


"This is Transmission" kündigte Hooky kurz den nächsten Hit an, bevor der grummelnde Bass und die fetzigen Gitarren einsetzten. "Radio live transmission", die Leute sangen begeistert mit. Hoook selbst schrie sich heiser ("dance, dance, dance to the radio!!"), hätte auch in einer Metalband seinen Platz gehabt.

5 Minuten später hieß es dann: "I dedicate this song to all the young ladies in the audience." Love Will Tear Us Apart sang nun die ganze Halle und ein Schauer ging über meinen Rücken. Das war gleichzeitig so schaurig und so schön, daß es kaum auszuhalten war. Erstaunlich auch, daß die Nummer nach wie vor nicht ausgelutscht klang. Und der Übersong wurde so richtig schön ausgekostet:

"Here we go Paris" feuerte Peter die Leute immer weiter an. Die sangen irgedwann ganz allein, aber Hooky verzichtete glücklicherweise auf die unsägliche und oft gesehene Geste, das Mikro Richtung Publikum zu richten. Perfekt wurde immer mal wieder das Tempo rausgenommen, um es im Anschluß daran wieder enorm anzuziehen. Als der Song schon verklungen war, gröhlten die Leute trotzdem noch minutenlang den Refrain weiter.

Mit Dreams Never End kam dann ein Stück von New Orders erstem Album Movement, das stimmungsmäßig mit Ceremony zu vergleichen war.


The Age Of Consent, gehörte ebenfalls zu New Order, allerdings zum Opus Power, Corruption and Lies. Max, der Sänger von Youck würde auf die Bühne zitiert, denn er hatte im Vorprogramm mit seiner Band genau jenen Song gecovert. Ein gefundes Fressen für Hooky, um einen zynischen Kommentar abzulassen: "Max from Yuck covered The Age Of Consent during their set. Now, I'm gonna share him how it should really done. Maybe you might teach me someting? But you can't teach an old dog new tricks."

Max sang schließlich fast ähnlich hysterisch und hoch wie Kele "Bloc Party" Okereke, aber manchmal eben auch wie Barney Sumner. Also das passte schon hervorragend, auch wenn der Gesang windschief war.

Nun wurde es düster und geheimisvoll. Mit Everything Gone Green spielten die Lights einen der weniger bekanntenten Stücke von New Order. Es gab eine relativ lange Instrumentalpassage am Anfang, die mechanischen Rhythmen erinnerten an Kraftwerk. Ein super Stück, das ich live noch nie gehört hatte. Unglaublicherweise klang es selbst im Jahre 2013 noch fast avantgardistisch. Man konnte darin auch schon eine Hauch Blue Monday erahnen, obwohl es deutlich weniger elektrisch war.

Nun klang es endgültig nach Kraftwerk. Das wunderchöne, verträumte Your Silent Faith wude gezündet und Hooky spielte hierzu Melodica. Zumindest versuchte er es, er hatte manchmal ein wenig Probleme, gucke das Instrument manchmal an, als wolle er sagen: "die Melodica ist für uns alle Neuland." Ein glitzender Synthieteppich wurde ausgerollt, es war herrlich.

Der Titel bot die Zeit ein wenig zu verschnaufen, runterzukommen und sich für das explosive Finale zu wappnen, das nun folgen sollte.


This is True Faith bekundete kurz und knapp und die Songzeile: "I feel so extraordinairy", wohl das Motto des Abends. Eine Der Lieblingssongs meiner Jugend und in der heutigen sehr basslastigen Version ein besonderer Ohrenschmaus. Vor meinem innere Auge tanzten die bunten Puppen aus dem bekannten Videoclip dazu. Nostlagie pur.

"It's a very special time of the year  and it's the same in England. People can follow, they can be victim to temptation." erklärte Hook fast verschwörerisch.

Temptation klang extrem elektrisch, wahnsinnig feierfreudig und wurde mit einem nie dagewesenen Schmackes gespielt. Die elektronischen Beats pluckerten kunterbunt vor sich hin und die Leute tanzten ausgelassen. Sicherlich der fröhlichste Song des Abends fernab von Depression, Vorstadtödnis und suizidären Gedanken.


Mit Blue Monday wurde schließlich einer der Keytracks der Karriere von New Order aufs Volk losgelassen und noch nie hat mich ein Synthiesong so sehr begeistert wie in diesem Moment. Das Besonders an dem Stück war sein Ende, denn da wurde von der Albumversion abgerückt und laut, ja fast psychedelisch  gerockt. Ich bin ziemlich sicher, daß Blue Monday nie so gut performt wurde wie am heutigen 20. Dezember!

Nach Blue Monday wäre laut Setlist offiziell Schluß gewesen. Aber so kurz vor Weihnachten konnte man den Leuten unmöglich eine Zugabe verwehren. Und es gab nicht nur ein Lied, sondern gleich drei als Bonus! Allein für diesen Dreierpack, der noch einmal knapp 20 Minuten dauerte, hätte sich der äußerst moderate Eintrittspreis von 20 Euro gelohnt. Es kamen nämlich hintereinander weg She's Lost Control, dann mein persönliches Lieblingsstück von Joy Division Shadowplay und erneut Love Will Tear Us Apart.


Die jeweiligen Versionen waren atemberaubend gut (Bei She's Lost Control Hatte man das Gefühl, ein Formle Eins Wagen würde durch die Halle rasen, Shadowplay rockte wie Hölle), die alten Klassiker des Post Punk Genres klangen ungeheuer frisch und sprizig und die Band machte nun die letzten Kraftreserven locker. Zu Love Will Tear Us Apart durfte sogar ein junges Mädel aus dem Publikum mittanzen und mitsingen.


Hinterher standen gleich mehrere Fans mit auf der Bühne. Hooky hatte sein T-Shirt ausgezogen ("musste das sein?", fragten sich ein par Leute) und bekam von einem weiblichen Fan ein Strauß Blumen. Mit eigentlich großtenteils wahnsinnig traurigen Liedern hatte uns Hook sehr glücklich gemacht. Ein paar Leute hatten Freudentränen in den Augen, andere sagen immer noch den Refrain von Love Will Tear Us Apart, obwohl die Deprimhymne längst verklungen war.


Was für ein Konzert zum Jahresabschluß, besser hätte es nicht kommen können! Dei turmhohen Erwartungen wurden noch deutlich übertoffen, das hier heute war definitiv nicht zu toppen. Ein Autritt an den ich mich auch noch in 20 Jahren erinnern werde. Ich bin sogar so tollkühn zu behaupten, daß Joy Division unter Ian Curtis und New Order mit Barney Sumner als Sänger nie ein solch gutes Konzert gegeben haben. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern...

Setlist

01: Ceremony
02: Digital
03: Isolation
04: Disorder
05: Transmission
06: Love Will Tear Us Apart
07: Dreams Never Ende
08: Age Of Consent
09: Everything's Gone Green
10: Your Silent Face
11: True Faith
12: Temptation 
13: Blue Monday

14: She's Lost Control
15: Shadowplay
16: Love Will Tear Us Apart


 

Konzerttagebuch © 2010

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