Samstag, 30. Juli 2011

The Thermals, Dortmund, 30.07.11

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Konzert: The Thermals (Juicy Beats Festival)
Ort: Westfalenpark, Dortmund
Datum: 30.07.2011
Dauer: gut 50 min


Festivalveranstalter, die die Thermals verpflichten, können damit grundsätzlich nichts falsch machen. Das Trio aus Portland spielt keine moderne Musik, nichts Hippes, keine originellen Instrumente, keine acht-Minuten-Lieder, es zählt trotzdem immer zu den Highlights eines Festivals. So auch heute bei den Juicy Beats im Westfalenpark in Dortmund.

Ich war zum ersten Mal bei diesem Festival und war überrascht, wie groß es ist. Im Westfalenpark waren sechs Bühnen und 14 Floors (das sind Bühnen für Musik, die ich nicht mag), die nach Früchtchen benannt waren, aufgebaut. Mein Programm sollte ausschließlich auf der Himbeer (bzw. FZW) Stage stattfinden und mit den Thermals
beginnen. Nachdem die drei wie üblich ihren Soundcheck selbst gemacht hatten (der trotz der deutschen Anweisungen des Soundmanns - wir sind schließlich in Deutschland, also haben die Bands das auch zu verstehen! "Und jetzt der Bass. Der Bass!" - funktioniert hatte), begannen sie um 16.30 Uhr bei für Spätherbst angenehmen Temperaturen.

Thermals Konzerte sind im Prinzip immer gleich. Und nie langweilig. Das Repertoire des Trios kennt keine Hänger, dafür gibt es auf ihren fünf Studioalben einfach viel zu viele großartige Lieder. Obwohl jede Setlist anders aussieht, habe ich noch keine schlechte erlebt. Es fehlten zwar heute auch ein paar Lieblinge,
es war trotzdem perfekt (das geht).

Auch sonst war alles wie immer: Gitarrist Hutch Harris singt meist mit geschlossenen Augen und herrlichen Grimassen. Bassistin Kathy Foster wirkte zwar etwas müde
(und hüpfte weniger als sonst), spielte aber durchgängig lächelnd und ist die coolste Musikerin, die ich kenne.

Also eigentlich einfache Mittel (die Songs sind ja wie erwähnt auch nicht wegen ihrer komplizierten Strukturen so gut), damit aber maximaler Spaß! Ein Traum also für jeden Veranstalter - und auch für mich.

Setlist The Thermals, Juicy Beats, Dortmund:

01: No culture icons
02: We were sick
03: I don't believe you
04: Returning to the fold
05: Our trip
06: Never listen to me
07: Here's your future
08: I might need for you to kill
09: A stare like yours
10: It's trivia
11: A passing feeling
12: Not like any other feeling
13: Your love is so strong
14: Back to Gray
15: How we know
16: Overgrown, overblown!
17: St. Rosa and the swallows
18: Now we can see
19: A pillar of salt

Links:

- aus unserem Archiv:
- The Thermals, Frankfurt, 15.04.11
- The Thermals, Köln, 03.04.11
- The Thermals, Bochum, 23.10.09
- The Thermals, Haldern, 15.08.09
- The Thermals, Berlin, 08.08.09
- The Thermals, Rüsselsheim, 21.07.07
- The Thermals, Köln, 19.12.06
- The Thermals, Paris, 02.12.06



Freitag, 22. Juli 2011

Tu Fawning, Köln, 21.07.11

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Konzert: Tu Fawning
Ort: Blue Shell, Köln
Datum: 21.07.2011
Zuschauer: rund 60
Dauer: 65 min


Puh, Konzert-Sauregurkenzeit... Wer als Musikjunkie im Juli keine Festivals sieht, ist gekniffen, denn in Clubs ist jetzt gerade wirklich nicht viel los. Da ich mir nach den besten drei Festivals meines Lebens, die geballt 2010 stattgefunden hatten (Primavera, Latitude und Bowlie), geschworen hatte, nie wieder zu Festivals zu gehen*, bieten die letzten Wochen Gelegenheit zur Entschleunigung, zur Suche nach der inneren Mitte, dafür die Seele baumeln zu lassen.

Done.

Jetzt möchte die innere Mitte aber gefälligst wieder laute Musik hören und sich ein neues Plätzchen suchen.

Glücklicherweise machen sich in dieser schrecklich langweiligen Zeit nicht alle Bands rar. Mittwoch waren die Indelicates in Mainz (die allerdings auch feststellten, daß gerade keine gute Saison für Konzerte sei), heute die tollen Tu Fawning, die ich im März in Duisburg gesehen hatte, und die mich da restlos überzeugt hatten.

Tu Fawning hatten in Roskilde und auf einem Festival in Belgien gespielt und die Zeit dazwischen für eine kleine Europatour genutzt. Kölner Station war das Blue Shell, denn obwohl die Band größere Clubs verdiente (und sicher souverän bespielte), reicht das potentielle Publikum noch nicht für mehr. So war es auch noch gähnend leer, als wir in der blauen Bar ankamen. Bis es eine halbe Stunde später als angekündigt losging, hatten sich aber noch gut 60 Zuschauer eingefunden, wonach es um neun wirklich nicht ausgesehen hatte.

Tu Fawning stammen aus Portland und sind ein Quartett: Joe Haege (31knots) begann am Schlagzeug, Corrina Repp an der Gitarre, Toussaint Perrault an Glöckchen und Pauke und Liza Rietz am Keyboard. Allerdings wechseln die vier ihre Positionen immer wieder, ohne daß dabei der Fluß des Konzerts gestört würde. Die Musik der Amerikaner einzuordnen, ist schwer. Um Corrinas ganz hervorragende Stimme herum bauen Tu Fawning experimentell scheinende Melodien auf, denen allerdings das Anstrengende solcher Lieder fehlt. Anspruchsvoll aber eingängig, mit Hilfe experimenteller Mittel. Oder ähnlich.

Das Eröffnungsstück Hand grenade beispielsweise fängt mit einem eintönigen Keyboard Akkord an, der später von Trommeln unterstützt wird, bis Corrinas Gesang
einsetzt, der da an Beth Gibbons von Portishead erinnert. Dazu kommt später Toussaints Posaune - und ein vollkommener Melodiebruch. Das liest sich schrecklich, ist in Wahrheit - und auf Bühne und Platte - aber hervorragende Kost.

Tu Fawning setzten neben Schlagzeug, Gitarre, Keyboard, die immer vorkommen, so viele Percussionintrumente, Glöckchen oder anders gespielte klassische Instrumente ein, geklopfte Geige, Windspiel, Klanghölzer. Auch wenn vieles davon seine Überraschung beim zweiten Mal verloren hat (zum Beispiel der Ausflug von Toussaint mit Fanfare ins Publikum
bei Sad story - was im kleinen Blue Shell einen irren Rundumklang-Effekt erzeugte), machte das das Zusehen keinen Deut unspannender.

Das Stück mit dem Fanfarenzug war auch eines der besten des Abends, allerdings nicht nur wegen des Ausflugs. Sad story war auch das erste Lied, bei dem Corrina am
Schlagzeug saß. Ihr Trommeln ist unglaublich sehenswert. Ich kann nicht beurteilen, ob es technisch gut ist, es klingt zumindest nicht falsch. Aber ich habe nie einen Drummer gesehen, dem man ansieht, wie die eigene Kraft eingesetzt wird, um Töne zu erzeugen. Wenn Corrina das Bassdrum-Pedal tritt, wirft sie sich richtig gegen das Gerät. In den Instrumental-Passagen schlug sie schräg von oben nach unten die Trommeln und sah dabei wie eine Kanu-Sprinterin aus. Spektakulär!

Wundervoll auch, als bei
Multiply a house alle vier standen und sangen, und mit Tamburinen den Rhythmus machten.

Tu Fawning spielten Lieder ihres Albums Hearts on hold, sowie der Secession EP. Auch ein neues Stück der im Frühjahr erscheinenden zweiten Platte war im
Programm, das habe allerdings noch keinen Namen. Außer, daß Liza dabei Geige spielte, unterschied es sich weder stilistisch noch qualitativ vom Rest.

Tu Fawning waren toll! Sie ertrugen auch die aufgezwungenen Dialoge über das Highsein mit den beiden Frauen in der ersten Reihe mit Würde.

Auch außerhalb der Sauregurkenzeit wäre das Konzert aus der Masse herausgestochen. Tu Fawning tauchen definitiv in meiner Jahresbestenliste auf!


Setlist Tu Fawning, Blue Shell, Köln:

01: Hand grenade
02: Diamond in the forest
03: Out like bats
04: Sad story
05: Just too much
06: Multiply a house
07: I know you now
08: neu (noch namenlos)**
09: I'm gone
10: The felt sense

11: In silence we reach the palisades (Z)
12: Mouths of young (Z)

Links:

- Tu Fawning, Duisburg, 08.03.11

* außer Primavera und Haldern in diesem Jahr
** (Textzeilen: "Cover your eyes" und "I want you, you want me")




Donnerstag, 21. Juli 2011

The Indelicates, Mainz, 20.07.11

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Konzert: The Indelicates
*
Ort: Baron, Mainz
Datum: 20.07.2011
Zuschauer: rund 50
Dauer: 75 min


Schon vor drei Jahren hatte mir Indelicates Keyboarderin Julia davon erzählt, daß Sänger Simon ein Konzeptalbum über David Koresh, den ehemaligen Leiter der Davidianer-Sekte in Waco, Texas plane. Im Mai diesen Jahres nun ist David Koresh Superstar auf dem bandeigenen Label Corporate Records erschienen und wird dort auf "zahl, was du magst" Basis vertrieben. David Koresh Superstar ist ein Rockmusical,
wird immer wieder festgestellt. Ich hasse Musicals, Rockmusicals stellen da keine Ausnahme dar. Ob es daran liegt, daß ich weder David Koresh Superstar noch den Vorgänger Songs for swinging lovers als Teil dieser schrecklichen Gattung ansehe oder aber die Indelicates so sehr mag, daß ich auch Musicals von ihnen schätze, weiß ich nicht, es spielt aber auch keine Rolle.

Bei den Aufnahmen zu David Koresh spielte eine bunte Sammlung Musiker mit (ok, es ist ein Musical). Im Gegensatz zu den ersten beiden Alben singen nicht ausschließlich Julia und Simon die Stücke, es sind Gäste wie Jim Bob von Carter USM, der Singer/Songwriter Philip Jeays, Keith TOTP oder David Barnett von Luxembourg. Mein derzeitiges Lieblingsstück A single thrown grenade singt
Lily Rae, die im letzten Sommer zur Livebesetzung der Indelicates zählte.

In den letzten Wochen hatten die Indelicates die Lieder des Albums in England mit diesen Gastmusikern gespielt, zum Teil mit sehr großem Ensemble. Daß die kurze Deutschlandtour jetzt anders sein würde, war angekündigt.** Auch wenn ich zu gerne den ATF Chor erlebt hätte, war mir genauso lieb, die Indelicates alleine und akustisch zu sehen, denn so hatten sie den Mainzer Termin beworben.

Als wir am Baron auf dem Unigelände ankamen, lief in Hörweite das Endspiel um den Liga Pokal. Das Baron ist eine kleine Studentenkneipe mit ein paar Bistrotischen vor der Tür. Da standen einige Leute rum, die Band war trotzdem skeptisch, daß viele Zuschauer kämen. Viel Werbung dafür war offenbar nicht gemacht worden. Drinnen ist eine Bar mit einigen Tischen und ein Extraraum, in dem die Bühne und ein Mischpult aufgebaut waren. Von diesem Raum gingen zwei weitere Türen ab, eine Richtung Küche und eine in einen Indoor (?) Biergarten, aus der im Laufe des Konzertes immer wieder Leute kamen, was ein wenig merkwürdig war. Kurz nach halb zehn stiegen Julia und Simon auf die Bühne und begannen mit Remember The Alamo!, dem ersten Stück des Albums - und dem ersten von vieren, die heute gespielt wurden. Die Koresh-Lieder eignen sich nur zum Teil für ein Akustik-Konzert, da sie zum Teil sehr aufwendig orchestriert sind (mein Liebling ist die singende Säge bei mehreren Stücken). Die vier gespielten Sachen (I am Koresh und Alamo, die bereits vorher im Liverepertoire waren, mein Liebling A single thrown grenade und die tolle Ballad of the A.T.F. funktionieren aber auch in der abgespeckten Version mit Keyboard und (leiser) elektrischer Gitarre ausgezeichnet.

Der Rest war ein Best of, die Band hat schließlich enorm viele Hits im Katalog.* Einige meiner Lieblinge kamen (We love you, Tania, das Lied über die durchgeknallte Enkelin des Medienmoguls William R. Hearst***, Julia, we don't live in the '60s, We hate the kids, Waiting for Pete Doherty to die), andere nicht (Stars, Unity Mitford...), sprich, es war wie immer toll!

Es kamen aber auch wieder viele dieser kleinen Köstlichkeiten, die zu Konzerten der beiden dazugehören. Langsam glaube ich, daß die Saitenwechsel bei Simon Instrument des Spannungsaufbaus sind. Auch gestern riss wieder eine seiner Gitarrensaiten, die er auf dem Boden sitzend wechseln musste. Julia spielte währenddessen Flesh, wozu sie ihn und die Gitarre nicht brauchte. Ein anderes Mal mußte Simon auf den richtigen Moment warten, die Setlist lesen zu können, bei rotem Licht konnte er nämlich nichts erkennen. Bei der A.T.F.**** Ballade sangen die beiden irgendwann unterschiedliche Texte, ungeplant aber komisch.

Besonders toll waren aber die Phasen, besonders bei den Zugaben ("any requests?"), wenn die beiden sich unterhielten, wie die Lieder denn funktionierten. Einmal musste Simon Trockenübungen machen, die Zwischenzeit sollte Julia überbrücken: "talk to them!"

Die Zugaben funktionierten eben auf Zuruf. Danach diskutierten die beiden, ob sie den Wunsch spielen konnten. Für Julia... packte die Besungene die kleine Flöte, die dafür benötigt wird, aus irgendeiner Tasche, und das Lied konnte gespielt werden. Dabei schien Simon aber den Drang zu verspüren, schneller und schneller zu werden, das Stück wurde gegen Ende extrem flott. Die zweite Zugabe (
Somewhere that's green aus dem kleinen Horrorladen - wieder ein Musical, pah!), habe ich nicht ge- und erkannt und hinterher ergoogeln müssen, es war aber auch sehr schön.

Sehr schön trifft auch den Abend wieder ganz genau. Auch das xte Indelicates Konzert war wieder eine große Freude. Da werden noch einige folgen!


Setlist The Indelicates, Baron, Mainz:

01: Remember The Alamo!
02: New art for the people
03: Europe
04: We love you, Tania
05: I am Koresh
06: A single thrown grenade
07: Flesh
08: Ill
09: Ballad of the A.T.F.
10: Jerusalem
11: Savages
12: Our daughters will never be free
13: Be afraid of your parents

14: Julia, we don't live in the '60s (Z)
15: Somewhere that's green (Little shop of horrors Cover) (Z)
16: Waiting for Pete Doherty to die (Z)

17: We hate the kids (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- The Indelicates, Wiesbaden, 15.12.10
- The Indelicates, Köln, 02.12.10
- The Indelicates, Frankfurt, 05.08.10
- The Indelicates, Köln, 09.06.10
- The Indelicates, Heidelberg, 14.08.08
- The Indelicates, Frankfurt, 12.08.08
- The Indelicates, Münster, 30.04.08
- The Indelicates, Köln, 24.04.08
- The Indelicates, Köln, 04.10.07
- The Indelicates, Frankfurt, 30.09.07
- unser Interview mit den Indelicates

* für Ursula :-)

** eine weitere Besonderheit bei den Indelicates sind die Super Special Editions der Alben, bei denen ein Käufer das Album und ein Konzert erwirbt, das aufgezeichnet wird. Der Käufer erhält die Rechte an dem Livealbum, das bei Corporative Records vertrieben wird. Während ihrer Mini-Deutschland-Tour spielen die Indelicates jetzt zwei dieser Super Special Editions

*** wer einmal in seinem Anwesen Hearst Castle in Kalifornien war, weiß, daß Durchgeknalltsein vererblich ist

**** Alcohol, Tobacco, Firearms, eine US-Bundesbehörde, die das alles bekämpft



Montag, 18. Juli 2011

Pitchfork Festival Chicago, 3. Tag, 17.07.11

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Pitchfork Festival Chicago, 3. Tag, mit TV On The Radio, Deerhunter, Kurt Vile u.v.a.
Ort: Union Park, Chicago
Datum: 17.07.2011
Zuschauer: etwa 18.000 (ausverkauft)



Wahnsinn! Der helle Wahnsinn! War denn heut' schon Weihnachten? Oder bereits mein 40.Geburtstag?

Zumindest fühlte es sich so an. Bei dem Headliner des Festivals backstage auf der Bühne zu sein, war wirklich ein unglaubliches Erlebnis! TV on The Radio beschlossen drei Tage Pitchfork und am Ende ihres fulminanten Sets war ich mittendrin statt nur dabei. Aus nächster Naehe bekam ich mit, wie die Amis einen höllischen Druck machten und saumässig tight aufspielten. Sie schossen wirklich aus allen Rohren und gaben zum Schluss noch einmal alles. Die diabolische Lautstärke, die unzähligen jubelnden Fans unten und die bunten Lichter vermischten sich zu einem hochprozentigen Cocktail, der mich hemmunglos berauschte.

Als das letzte Lied verklungen war, trotteten die Helden des Abends von der Bühne, nicht ohne den etwa 20 Leuten im Backstage Bereich in Fussballer-Manier die Hände abzuschlagen. Und ich war der erste, dem diese Sympathiebekundung zu Teil wurde, weil ich zufällig gerade da rumstand. Abgefahren! Nur die Organisatoren des Festivals, die Familienangehoerigen der Band und ein paar andere hochrangige Medienleute waren hier oben. Und Olli vom Konzerttagebuch nebst Gattin steht neben diesen ganzen wichtigen Leuten! Unfassbar! Der Dame im Organisationsteam des Festivals kann ich gar nicht genug dafür danken, sich so rührend um den kleinen Blogger aus Paris gekümmert zu haben...

Aber auch ohne das abschliessende Backstage Erlebnis war es ein sagenhaftes Konzert von TV On The Radio und ein bärenstarker letzter Festivaltag.

Kurt Vile, Yuck, Superchunk, Deerhunter, die Creme de la creme der aktuellen Indierockszene, beballerten gnadenlos das Festivalgelände mit ihren schrammelig-melodischen Riffs und explosiven Schlagzeugsalven. Alle machten sie einen phantastischen Eindruck, so dass es schwer fällt, innerhalb dieser Topacts einen Favoriten auszumachen. Yuck begeisterten gleich zu Beginn (13 Uhr 45) mit ihrem zeitlosen Sound, der seine Wurzeln überwiegend in den 90 er Jahren hat. Mal softer, mal noisiger, die Englander beglückten mit verschiedenen Gangarten und beendeten unter lautem Jubel ihr gutes Set.

Kurt Vile und seine Violators waren etwas später auf der grünen Bühne sogar noch einen Zacken schärfer. Der nonchalante Sänger mit den langen, im Winde des Ventilators wehenden Locken, rechtfertigte auf ihn angestimmte Lobeshymen voll und ganz. Seine Songs waren voller Freiheitsliebe und jugendlichem Drang und vermittelten ein stark anziehendes Lebensgefühl. Ähnlich wie bei War On Drugs hatte man den Eindruck, einen modernen und elektrischen Bob Dylan zu sehen, der unbeschadet von klassischen Einflüssen munter, frisch und unverbraucht drauf los spielt. Keine Frage, Kurt und seine Band werden in den kommenden Jahren noch bekannter, noch wichtiger werden und das ist gut so!

Deerhunter sind heute schon dort, wo Kurt Vile vielleicht mit seinem nächsten Album sein wird: in der Championsleague der amerikanischen Indierockbands. Die Band um Bradford Cox legten bei herrlicher Abendsonne ein sensationelles Konzert aufs Parkett. Die Kracher vom letzten Album Halcyon Digest wurden mit einer unwiderstehlichen Vehemenz abgefackelt und in manchen Phasen spielte sich der Sonnenhut tragend Cox in einen regelrechten Rausch. Die mitunter sehr ausgedehnten Instrumentalpassagen hatten teilweise hypnotische Wirkung, waren allerdings auch fordernd für den Zuhörer/Zuseher. Aber immer wenn es experimentelle Passagen gab, wurden diese irgendwann von packenden Phasen mit catchy Refrains abgelöst. My Bloody Valentine, The Velvet Underground, The Strokes, Interpol, Pavement, Built To Spill, all diese famosen Bands hört man irgendwo im Sound von Deerhunter raus, ohne allerdings an ein billiges Plagiat erinnert zu werden. Im Gegenteil, die Amerikaner sind definitiv eine essentielle Gruppe, an der wir noch langfristig Freude haben dürften.

Aber nicht nur diese ganzen jungen Formationen wussten, wie man Gitarrenrock spielt, sondern auch die alten Haudegen von Superchunk. Die Veteranen agierten druckvoll wie die Thermals und bewegten sich auch so ähnlich auf der Bühne: nach hinten hüpfend. Und bei beiden Bands gibt es eine charismatische Bassistin...

Charismatisch und voller allem photogen war die Sängerin von Twin Sister sicherlich auch. Die junge Frontlady hatte sich eine kuriose Perücke mit langen grasgrünen (!) Haaren übergestülpt und sorgte auch mit ihren zahlreichen Tattoos fuer Hingucker. Leider aber flachte das Set nach gutem Beginn im weiteren Verlaufe immer weiter ab. Teilweise wurde es richtiggehend fies, da gab es dann kitschige Plastiksongs mit 80 er Jahre Parfüm und dubiosen Funk oder Loungeeinflüssen. Ganz schön cheap dieser Synthiepop!

Noch wesentlich beknackter waren allerdings Cut Copy, die um 19 Uhr 25 auf der roten Bühne antraten. Sie erinnerten mich in den schlimmsten Momenten fast an Modern Talking oder die Thompson Twins, kamen aber beim Publikum hervorragend an. Nun ja, es gibt halt eben komische Leute. Es soll ja auch Fans von Bayer Leverkusen geben, oder Menschen, die gerne Matjes essen oder Gruenkohl mit Pinkel...

Spätestens beim ersten Song der danach auf der grünen Bühne startenden Headliner TV On The Radio waren allerdings die furchterregenden Cut Copy vergessen. Von nun an gab es einen flirrenden, schwülen Rock-Sound, der in der aktuellen Musikszene seines Gleichen sucht. Wenn man bedenkt, dass ich kein sonderlich grosser Fan von Jazz, Blues und Rap bin, grenzt es schon fast ein Wunder, dass ich TV On The Radio mag. Die farbigen Amerikaner schaffen es wie keine zweite Band, diese Einflüsse absolut gekonnt in ihre treibenden, fetzige Indirockmusik einzubinden und sind live einfach unfassbar! Allein der Hit Starring At The Sun hätte schon fast die Reise nach Chicago gerechtfertigt, mit dieser Nummer spielten mich die Burschen regelrecht an die Wand.

Kurzum: Lang lebe das Pitchfork Festival! Bald schon soll es ja nach Paris kommen und hoffentlich bin ich dann auch wieder dabei und so gut platziert!

Demnächst berichte ich dann auch noch vom Rahmenprogramm, von den Bedingungen auf dem Gelande (Hitze!!!, Essen, Trinken, Merchstände, Organisation, Tätowierungsgrad der Frauen), schaut als bald wieder hier rein! Dann auch Fotos und ein paar Setlisten.



Sonntag, 17. Juli 2011

Pitchfork Festival Chicago, 2. Tag, 16.07.11

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Pitchfork Festival Chicago, 2. Tag, mit Fleet Foxes, Woods, Gang Gang Dance, Zola Jesus und vielen anderen
Ort:Union Park, Chicago
Datum: 16.07.11
Zuschauer: etwa 18.000 (ausverkauft)



"Did you see our last Paris show?"

Fleet Foxes Gitarrist Skyler Skjelset wirkte fast eingeschuechtert, als er mir diese bange Frage direkt nach dem Konzert seiner Band auf dem Pitchfork Festival in Chicago stellte.

" Yes I saw it and it was much to loud, but tonight it was just perfect!"

Da wirkte der Blondschopf sichtlich erleichtert, brummelte etwas von "the sound was strange in Paris" und "so glad that you liked it this time!"

Unglaublich, lediglich ein paar Tage nachdem mich die Fleet Foxes beim Pariser Konzert im Salle Pleyel bitter enttäuscht hatten, schafften sie es, mich beim Pitchfork Festival in Chicago über alle Massen zu begeistern! Die Magie der frühen Tage, sie war zurück! Die charakteristischen Chorgesänge klangen schöner denn je, erfüllten noch den letzten Winkel des Geländes und erfüllten mein Herz mit unbeschreiblicher Freude. Die sechsköpfige Band spielte harmonisch, beseelt und motiviert auf, ohne aber wie in Paris mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Josh Tillman schien sein Schlagzeugspiel in der Tat zurückgenommen zu haben, bollerte nicht bei jeder Gelegenheit drauf wie ein Metzger und brillierte auch durch seinen Beitrag zu den irreal schönen Chorgesängen. Noch vor ein paar Wochen schienen mir diese schematisch abgespult zu werden, heute aber legten die Fleet Foxes viel echtes Gefühl in diese Harmonien.

Der Knoten geplatzt war spätestens bei Mykonos, bei dem Pecknolds Wahnsinnstimme endlich wieder genug Luft hatte, um sich voll zu entfalten und nicht durch eine zu reichhaltige und druckvolle Instrumentierung erdrückt zu werden. Danach flutschte es und es war egal, ob einer der zahlreichen Klassiker vom ersten Album, oder die Neulinge gespielt wurden.

Das Publikum war begeistert und Pecknold kommentierte diesen Umstand mit: "Thank you so much, you were one of the best audiences we ever had, no bullshit!"

Insgesamt also ein super Abschluss eines hochkarätigen Festivaltages, den die sirenhafte Amerikanerin Julianna Barwick auf der green stage eröffnet hatte. Mit ihren übereinandergeschichteten Stimmen, die sie gekonnt loopte, schuf sie eine spirituelle, vielschichtige Atmosphäre voller Dramatik und purer Schönheit. Allerdings war es fuer die Kondition eine ziemlich harte Prüfung, bereits um 13 Uhr für das Konzert von Julianna da zu sein, denn die Temperaturen waren geradezu mörderisch. Die Sonne knallte erbarmungslos vom blauen Himmel und erhitzte meine Birne auf mindestens 50 Grad Celsius.

Setlist Julianna Barwick, Pitchfork Festival, Chicago 2011:

01: The Magic Place
02: Wish
03: Vow
04: Prizewinning
05: Keep Up The Good Work
06: White Flag

Aber man musste heute früh aufkreuzen, denn gleich nach Barwick spielten die pschychedelischen Folkrocker Woods auf der red stage. Ein absolutes Highlight, die Band um Sänger Jeremy Earl, bot ein Set voller packender Songs, in denen es auch immer mal wieder ausgedehntere Instrumental-Passagen gab. Allein die sensationelle Falsett-Stimme von Earl war das Kommen wert, er klang ähnlich wie Ben Bridwell von den Band Of Horses, bloß daß Woods wesentlich weniger formatiert und mainstreamlastig als die Pferdeband sind. Woods are so great!!

Es gab aber noch eine Reihe anderer richtig guter Konzerte, die stilistisch oft völlig unterschiedlich ausgelegt waren. No Age verliessen sich auf die von den White Stripes, den Black Keys und den Blood Red Shoes erprobte Formel, wonach die Kombination aus einem explosiven Schlagzeugspiel und einer wilden Gitarre live höllisch gut ankommt. Und auch heute funktionierte das. Das Sicherheitspersonal hatte alle Hände voll zu tun, die Crowdsurfer hinter der Barriere abzufangen und sie (sehr behutsam und wenig aggressiv) wieder auf ihre eigenen Beine zu stellen. Gang Gang Dance aus New York wiederum versuchten es mit einem dreampoppigen, elektronischen New Age Sound und eroberten damit ganz am Ende überraschenderweise mein Herz. Musikalisch eine seltsame Mischung aus Rave, Indierock, Dreampop, Shoegaze und Elektropop, waren Gang Gang Dance für mich eine der Entdeckungen schlechthin. Und dies ganz ohne den Verzehr von magic mushrooms, an die ich bei diesem peacigen, Psychedelic Konzert permanent erinnert wurde!

Auf der blauen Buehne schließlich, kam ich zu einem kuriosen Urteil. Die Schweden Radio Dep., die ich eigentlich sehr liebe, langweilten mit ihrem soften Pop, während die zierliche Blondine mit der kraftvollen Stimme namens Zola Jesus mich derart fesselte, dass ich mir ihr gothisch angehauchtes Elektro-Set bis zum Ende ansah und deshalb die ersten zwei Lieder der Fleet Foxes verpasste.

Demnächst mehr!


Samstag, 16. Juli 2011

Pitchfork Festival Chicago, 1. Tag, 15.07.11

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Konzert: Pitchfork Festival, Chicago, 1. Tag, mit Guided By Voices, Animal Collective, Neko Case, Thurston Moore u.v.a.
Ort: Union Park, Chicago
Datum: 15.07.11
Zuschauer: ausverkauftes Festival


"Sagen sie mal, war es schwer einen Pressepass zu bekommen?"

Die junge Frau, die mich das heute fragte, schien ziemlich neidisch zu sein, als sie meinen Umhänger mit der Plastikkarte sah, die mich als akkreditierten Journalisten auswies. Sie arbeite für Bloomberg in New York und sei selbst leer ausgegangen. Wie ich das denn geschafft hätte? Gerne hätte ich ihr geantwortet: "weil ich eben Oliver Peel bin", aber ich entgegnete lediglich, dass ich gute Kontakte hätte. Dann wendete ich mich ab und konzentrierte mich auf das beste Konzert des ersten Festivaltages, das von Guided By Voices. Die alten Haudegen um Robert Pollard lieferten einen fulminanten Auftritt ab und schüttelten einen Hit nach dem anderen aus dem Ärmel. Der Sound war roh, schrammelig und kantig, die Melodien packend und auf punkige Weise hymnisch.

Um sich so richtig aufzupeitschen, soff Pollard bei brütender Hitze Whiskey aus der Flasche und gut geölt kam seine Stimme noch bissiger und angriffslustiger zur Geltung.

"Are you ready for some good quality rock music?" hatte Robert zu Beginn des Konzertes gefragt und nicht zu viel versprochen. Das kurze, auf den Punkt gespielte Lo-fi Material klang zeitlos und war eine wohltuende Abwechslung zu den teilweise recht anstrengenden Experimental Bands des ersten Festivaltages. Besonders tune-yards mit ihrem afrikanisch geprägten Jodelgesang und ihren Buschtrommeln war eine Belastprobe für die Nerven. Relativ schnell bin ich deshalb auf die rote Bühne zu Battles geflüchtet. Die boten zwar auch keine leichte Kost, aber ihr hypnotischer Math-Rock sagte mir doch deutlich mehr zu. John Stanier trommelte in gewohnter Weise mit nacktem Oberkörper wie ein Besessener und Ian Williams und Dave Konopka flankierten ihn hoppelnderweise. Nicht mehr dabei ist Sänger Tyondai Braxton und auch die Gastsänger auf dem aktuellen Album Gloss Drop, wie z. B. Gary Numan oder Kazu Makino liessen sich nicht blicken. Dennoch, Battles haben mich wieder neugierig gemacht, ich denke mit ihrem neuen Output sollte man sich einmal beschäftigen.

Postiv fielen heute auch Thurston Moore und Neko Case auf. Beide mit mehrköpfiger Band angetreten, spielten sie trotzdem die akustischsten und folkigsten Sets des heutigen Tages. Thurston Moore hatte nicht nur die fabelhafte Geigerin Samara Lubelski, sondern auch einen Harfespielerin dabei und bei Neko Case brillierte gewohnterweise Kelly Hogan mit ihren guten Backgroundvocals und ein bärtiger Pedal Steel Player.

In den Tag eingeleitet hatte die blonde Erika M. Anderson alias EMA, die ich in Paris bereits einmal im Vorprogramm von Scout Niblett erlebt hatte. Damals wie heute sah ich ein ansprechendes, aber nicht überragendes Set, so dass ich doch gewisse Zweifel am Hype um die Newcomerin mit dem Namens-Halskettchen (bei Thomas Anders stand damals auf so was Nora drauf) anmelden muss. Grosse Namen wie Courtney Love, Cat Power, PJ Harvey oder Patti Smith fallen im Zusammenhang mit EMA am laufenden Meter, aber die Referenzen scheinen doch noch etwas zu ambitioniert zu sein. Vielleicht ist ihr Album ja besser als die Live-Performance? Live gab es allerdings immerhin bis zu zwei Geigen gleichzeitig und auch die Strumpfhose der Sängerin war ein Hingucker...

Den Tag abgeschlossen haben schliesslich die omnipräsenten Animal Collective. Gern gesehene Gäste des Melt Festivals in den letzten Jahren, waren sie heute Headliner des ersten Tages beim Pitchfork. Die jungen Leute standen auf die psychedelische Musik, die flimmernden Bilder und die schrägen Gesange, ich persönlich hatte eigentlich schon nach drei Liedern meine Schmerzgrenze erreicht und hätte ich meine Frau früher gefunden, wäre ich sicherlich eher im Hotel gelandet.

Meine Süsse war allerdings im VIP Bereich abgetaucht und in diesen durfte ich mit meinem Pressepass nicht hinein!

Ob es schwer war, für meine Frau einen VIP Pass zu bekommen? Nein. Zu dumm bloss, dass ich selbst keinen habe! Aber ich bin ja nicht zum Glotzen und Gratis-Biersaufen gekommen, sondern um über dieses tolle Festival zu berichten!

Morgen geht es weiter, stay tuned!

Randbemerkungen: selten so viele krass tätowierte Frauen gesehen. Scharf! Und Robin "Fleet Foxes" Pecknold hing auch schon auf der Wiese ab, obwohl er und seine Band erst morgen dran sind. Er unterhielt sich von Fans völlig unbehelligt mit der zuckersüssen Angel Derodoorian von den Dirty Projectors, die allerdings nicht auf dem Pitchfork vertreten sind.

Und Neko Case ist mit mir im Aufzug auf ihr Zimmer gefahren. Sie wohnt im gleichen Hotel wie ich, genau wie Robert Pollard, den ich in der Lobby traf. How cool is that?




Montag, 11. Juli 2011

Bright Eyes, Wien, 05.07.11

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Konzert: Bright Eyes (Jenny and Johnny & Two Gallants)
Ort: Arena Open Air, Wien
Datum: 05.07.2011
Zuschauer: voll, etwa 3000
Konzertdauer: Bright Eyes 130 Minuten


Als Conor Oberst samt Musikerschaft die Bühne des Arena-Geländes betrat, klang der Regen langsam ab, der Himmel brach auf und warmes Sonnenlicht der letzte Strahlen tauchte alles in ein tolles Licht.

Klingt kitschig, war es auch, passt außerdem ganz gut zu Bright Eyes. Falls Herr Oberst samt (dieser) Band zur Zeit seine letzte Tour bestreitet, dann war dieser Abend ein würdiger Abschied.

Zuerst waren aber mal die Kalifornier von Two Gallants dran, eine Zweimannband mit der interessanten Besetzung Gesang/Schlagzeug.

Mit einigen großartigen Auftritten haben sich die beiden in Wien eine durchaus beachtliche Fangemeinde erspielt, die Tatsache, dass sie auf Conor Obersts Label Saddle Creek gesigned sind, dürfte zusätzlich den Ausschlag für die Entscheidung des Veranstalters, eine weitere Vorband zu engagieren, gegeben haben.

Diese Rechnung sollte aufgehen, Two Gallants spielten sich und das Publikum in einen kleinen Rausch, am Ende der 50 Minuten setzte es heftigen Jubel. Ob Jenny and Johnny dieser Vorlage nahekommen konnten?

Das Pärchen Jenny Lewis und Jonathan Rice bot recht netten, countryesken Folkpop (reichlich beliebig kategorisiert, ich weiß), der irgendwie nicht zu überzeugen wusste. Mich nicht und die meisten anderen auch nicht. Jedenfalls war auf dem überdachten Balkon und der angeschlossenen Bar defintiv mehr los, als vor der Bühne - auch weil es zu regnen begonnen hatte.

Gegen Ende hin gefielen mir die beiden Engländer und ihre Band zwar schon besser, dennoch war ich ganz froh, als sie das Feld räumten. Vielleicht bietet sich mal die Chance, in einem anderen Ambiente eins ihrer Konzerte neu zu erleben, an diesem Abend hatten Jenny and Johnny aber eher den Charakter einer Hintergrunduntermalung.

Zurück an den Anfang: Zu der etwas entrückten Stimme aus dem Off zu Firewall kamen Bright Eyes auf die Bühne, was ihnen entgegenschlug waren gewaltige Vorschusslorbeeren. Zu lange waren die Amerikaner nicht mehr in Wien gewesen, das merkte man deutlich.

Anfangs war Conor Oberst allerdings noch nicht sehr auf Interaktion mit dem Publikum aus, auch wenn besonders das ältere Four winds enthusiastisch aufgenommen wurde. Er antwortete auf seine Weise: War es auf der gesamten Europa-Tour bislang (sehr zum Missfallen der meisten Fans) ausgespart worden, schüttelte er völlig überraschend We are nowhere and it's now aus dem Ärmel. Was für eine schöne Geste! Dabei hatte ich die Hoffnung, meinen Lieblingssong beim Konzert zu hören, nach Betrachtung der in den Wochen zuvor gespielten Setlists, schon aufgegeben. Aber jetzt flatterte er doch, der yellow bird und verbreitete eine grandios fragile Stimmung. Glück und Gänsehaut - "I don't know if it's true, but I keep it for good luck."

Die folgenden zwei Songs, das live sehr überzeugende Lover I don't have to love und die derzeitige Single Shell Games (für die Gleiches gilt) setzten diese Stimmung fort, dann folgte aber eine Länge-Phase, in der Intensität und Größe der Darbietung etwas abnahmen. War egal, hinter mir lieferten sich der Verkäufer des Würstelstandes und der Crêpes-Bäcker eine interessante Auseinandersetzung, ihr Wienerisch ließ meine Gedanken zum Lua-Cover der Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune abtreiben...



Es dauerte allerdings nicht lange, bis Bright Eyes den Faden wieder fanden, Conor Oberst wagte sich an immer längere Geschichten und freute sich sichtlich über die Freude und die Konzentration, die das Publikum an den Tag legte.
Insgesamt war beinahe kein Unterschied zwischen der Rezeption alter und neuer Songs feststellbar, alte Klassiker wurden ebenso mitgesungen, wie das neue Material verinnerlicht wurde. Man hatte ein wenig das Gefühl, Conor Oberst könne fast nichts Neues bieten, so gut kannten alle ihn und sein Werk.

Konnte er aber: Nachdem mit dem Ladder Song der reguläre Teil des Konzerts zu Ende gegangen war, zog er eine verblüffende, beinahe befremdliche Show ab. Jeder Musiker wurde eigens vorgestellt und durfte ein kleine Solo zum Besten geben. So weit, so gewöhnlich. Nur die Art, wie Mr. Oberst das tat, erinnerte wahlweise an Stadionrock und die großen Egos von Hip Hop-Superstars: "All the way from fucking Kuhdorf, in the flash....", shoutete er und führte dabei komische Tänzelbewegungen vor.
Ob da wohl eine gewaltige Portion Ironie dahinter steckte? Weiß man bei ihm nie, aber gerade das macht diese interessante Persönlichkeit ja (mit) aus!

Die folgenden Zugaben unterstrichen jedenfalls die unantastbare Bedeutung dieses Musikers: Das schon erwähnte Lua war darunter, mit der immanenten Frage nach der Kluft zwischen Abend und Morgen. Würde man am nächsten Morgen auch noch so angetan von diesem Konzert sein? "Aufd Nacht is immer alles leiwand...", dolmetschte die genannte Neigungsgruppe, leiwand fand ichs am nächsten Morgen auch noch.

Vor allem auch wegen der letzten zwei Songs, die nach einem gemeinsam mit Jenny and Johnny performten Gillian Welch-Cover dran kamen: Das epische Road to joy und One for you, one for me.

"One for the people, one for the parliament. One for the weary, one for the malcontent. One for the master, one for the protégé. One for you, and one for me."
In der Tat war an diesem Abend für jeden was dabei. Für den Fan der ersten Stunde, für Neulinge, für Romantiker und für alte Rocker, für Melancholiker und für lebensfrohe Naturen. Wie es eine Freundin ausdrückte: "Tanzen, lachen, weinen - alles dabei."

Sollte dieser Abend wirklich eine Abschiedsvorstellung gewesen sein, dann darf man sich einerseits glücklich schätzen, dem beigewohnt zu haben, andererseits ist eine große Portion Wehmut angesagt. Die Bühne, von der Conor Oberst abtreten will, wird so einen Ausnahmemenschen nicht so schnell wiederfinden... Wien sagt danke!

Setlist Bright Eyes, Wien, 05.07.2011:

01: Firewall
02: Jejune stars
03: Take it easy (Love nothing)
04: Four winds
05: Bowl of oranges
06: Something vague
07: We are nowhere and it's now
08: Lover I don't have to love
09: Shell games
10: Approximate sunlight
11: Arc of time (Time code)
12: Falling out of love at this volume
13: Triple spiral
14: Cartoon blues
15: Beginner's mind
16: Landlocked blues
17: Hot knives
18: Poison oak
19: The calendar hung itself
20: Ladder song

21: Lua (Z)
22: Wrecking ball (Gillian Welch-Cover) (Z)
23: Road to joy (Z)
24: One for you, one for me (Z)

Aus unserem Archiv:

Bright Eyes, Köln, 21.06.11
Bright Eyes, Wiesbaden, 20.06.07
Bright Eyes, Paris, 30.03.07
Conor Oberst And The Mystic Valley Band, Paris, 13.09.08
Conor Oberst And The Mystic Valley Band, Köln, 11.09.08

Vielen Dank für die Fotos an Christoph!

Sonntag, 10. Juli 2011

Cyann & Maud Lübeck, Paris, 09.07.11

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Konzert: Cyann & Maud Lübeck

Ort: ein Wohnzimmer irgendwo in Paris, Oliver Peel Session # 39
Datum: 09.07.2011
Zuschauer: etwa 40
Konzertdauer: jeweils rund 45 Minuten


La dernière Oliver Peel Session de la saison mettait à l'honneur deux pianistes françaises sublimes.

Maud Lübeck et Cyann ont en commun une douce melancolie et un univers fragile, sensuel et touchant, mais les ressemblances s'arrêtent là. Maud chante ses morceaux simples (mais pas banals), directes et classiques en français, Cyann s'exprime dans la langue de Shakespeare et ses chansons sont complexes, dramatiques et parfois un brin experimentales. Deux artistes, un même instrument, mais une approche différente de la composition et de la structure.


Session cohérente, mais néanmoins variée donc, et cela pour la plus grande joie du public, qui vint en grand nombre ce samedi 9 juillet. Environ 40 personnes se delectèrent de quiches, biere et rosé, caressèrent notre chat et s'assirent pour écouter tranquillement les concerts.

Mais, hélas! Juste avant le début du set de Maud le grand ampli fumait comme une cheminée en plein hiver! Pourtant pendant les balances il fonctionnait à merveille et là, il nous lache! Merde! En plus ce n'est pas le mien!...

Mais des histoires comme cela font aussi le charme des sessions et heureusement nous avons pu disposer d'un deuxième petit ampli qui marchait tout aussi bien et suffisait largement.



Maud a donc pu charmer par sa belle voix sensuelle, ses textes raffinés et recherchés et son fin jeu de piano. Pour varier, elle se servait également d'un petit synthé Korg, d'un dictaphone et même d'une petit tourne disque tout ce qu'il y a de plus vintage qui "l'accompagnait à la guitare" pour "Mon amour en boite", un titre au charme suranné, comme un parfum des années 60, doté d'un refrain entêtant: "mon amour en boite, je viens de te réveiller"...

Son concert était composé de multiples perles, tellement évident qu'on avait l'impression de les connaître depuis longtemps, si bien qu'il m'est difficile de déterminer mes favoris!

Toujours avec une pointe d'humour, comme lorsqu'elle dédie une chanson à une carpe japonaise croisée au parc de Bagatelle (La Fabrique), nostalgique quand elle parle de Paris (C'est Pas Rien: "la ville qui flotte..., c'est pas pas Rio, c'est pas ricain, c'est pas rien.") ou comme dans la nouvelle version de Paris Belleville, un de ses anciens titres qui m'a fait penser à Domique A et ses ambiances mysterieuses, noctambules, sombres et hantés.

Si elle chante des moments de tendresse sous un parapluie ou de larmes gelées, elle le fait à chaque fois avec beaucoup de douceur, d'élégance et d'amour, comme dans le morceau qui vint terminer ces 45 minutes de bonheur, Je t'aimais trop. Les applaudissements étaient nourris et Maud revint jouer Neige en rappel.

Courte pause. L'occasion de prendre un verre, fumer une cigarette ou de s'embrasser à la fenêtre et la soirée continuait avec Cyann.

L'ex-chanteuse de Cyann & Ben s'est lancé en solo depuis 1 et demi et a écrit de magnifiques chansons, toujours aussi sombres, sensuelles et mélodramatiques, mais plus directes et sans guitares (du moins aujourd'hui).

Mon favori absolu est Walls Of Silence futur tube qu'elle jouait en troisième position. Morceau hanté, bouleversant, atmosphérique, dense et d'une beauté presque irréelle (ces choeurs-là sont à tomber par terre!!) qui déclencherait presque une totale dépendance chez moi. A chaque fois quand je l'entend sur le My Space de l'artiste, je me sens obligé de l'écouter encore et encore, chose qui n'était pas possible aujourd'hui. Mais j'avais une idée pour l'écouter une deuxième fois ce soir. Cyann a fait une toute petite faute et pour moi c'était le prétexte idéal pour réclamer Walls Of Silence en rappel!!!

N'oublions pas le reste du concert et parlons également du titre dramatique et captivant Should I Cross My Fingers où Cyann montrait bien qu'elle possède un sacré tempérament! Elle chanta avec une grande ferveur, et son jeu de piano devint de plus en plus intense, pour finalement s'achever par une irrésistible petite mélodie!! Les morceaux suivants, I'll Be Waiting soutenus par des chants d'oiseaux (pré-enregitrés, bien sûr) et The Wind Is More Than Science, écrit par Yelena Valer'evan Moskovich montraient le côté expérimental et avant-gardiste de l'artiste. Yelena répétait ou anticipait avec une voix sombre et glaciale et Cyann chantait le même texte avec beaucoup de passion.

Pour ma plus grande joie Cyann joua aussi un titre de Cyann et Ben. Sweet Beliefs a toujours fait partie de mes favoris parmi la production du groupe, mais l'interprétation de ce soir, sans les guitares et l'orchestration que je connaissais,
était encore plus pure et plus touchante!

Deux magnifiques concerts pour clore cette passionnante saison de Sessions, et encore tous mes remerciements aux artistes et aux nombreux spectateurs qui sont venus les soutenir!!





So etwas hatten wir auch noch nicht bei den Oliver Peel Sessions: dicke, übel stinkende Rauchschwaden stiegen aus den Ausgängen des Verstärkers und dies zwei Minuten bevor wir den Konzertabend beginnen wollten! Verflucht! Dabei hatte der Soundcheck perfekt funktioniert, alles war angerichtet für das Fest und nach 38 problemlos überstandenen Sessions muckt dieser doofe Verstärker. Damit uns nicht die Bude abfackelt, haben wir das glühend heiße Teil deshalb ausgeschaltet und uns mit einem kleineren Model, das die Musikerinnen glücklicherweise mitgebracht hatten, beholfen.

Letztlich war es viel Rauch um fast nichts. Auch so war der Sound in Ordnung und die beiden Pianistinnen beglückten uns mit ihren melancholischen Bildschönsongs. Maud Lübeck begann auf französisch, Cyann (ex Cyann & Ben) setzte auf englisch nach. Es war zum Niederknien, zum Steine erweichen, zum Davonschweben und wenn es etwas auszusetzen gab, war es lediglich die Tatsache, daß keine der beiden Künstlerinnen bisher Tonträger veröffentlicht hat, die man hinterher hätten hören können, um sich sanft in den Schlaf zu wiegen.

Gutes Stichwort: Schlaf. Den brauch ich jetzt. Und vielleicht weiß ich bis morgen dann auch , wie ich die Geschichte mit dem durchgeschmorten Verstärker meinem Freund erkläre, der ihn mir vor über drei Jahren geliehen und seitdem nicht mehr wiedergesehen hat. Soll ich ihm etwa das verkohlte Ding in dem Zustand in die Wohnung wuchten?





Setlist Maud Lübeck, Oliver Peel Session # 39, Paris:

01: Haut
02: La Balançoire
03: La Fabrique
04: Les Larmes Gélées
05: Le Parapluie
06: Mon Amour En Boite
07: La Route
08: Le Pull Lover
09: Paris Belleville
10: C'est Pas Rien
11: Je T'aimais Trop

12: Neige


Setlist Cyann, Oliver Peel Session # 39, Paris:

01: You' D Better Run
02: Should I Cross My Fingers
03: Walls Of Silence
04: I'll Be Waiting
05: The Wind Is More Than Science
06: Tongue Of Ashes

07: Sweet Beliefs
08: Walls Of Silence




Samstag, 9. Juli 2011

The Pains Of Being Pure At Heart, Köln, 09.07.11

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Konzert: The Pains Of Being Pure At Heart
Ort: Luxor, Köln
Datum: 09.07.2011
Zuschauer: nicht ausverkauft, aber ganz gut gefüllt
Dauer: 65 min, Oh Napoleon 25 min


Die Begrüßung "It's great to be back in Cologne!" nahm man Kip Berman mehr ab, als die üblichen Floskeln am Anfang eines Konzerts. Die
Pains Of Being Pure At Heart mögen Köln und spielte heute bereits zum vierten Mal innerhalb von gut zwei Jahren hier.

Die Strategie, sich durch viel Fleiß, zwei Platten, einige EPs und Singles und regelmäßige Konzerte eine feste Fanbasis zu erspielen, schien zwar diesmal nicht ganz aufzugehen; das Luxor war zunächst nicht sonderlich voll. Allerdings waren die angekündigten Anfangszeiten auch sehr speziell, Einlaß sollte um 18.30 Uhr, Beginn (mit der Vorgruppe Oh Napoleon um 19.30 Uhr); vermutlich hatte das kaum jemand ernstgenommen.

Die Krefelder Supportband begann dann erst um acht mit ihrem 25 minütigen Set, in einer wohl abgespeckten Bandversion, Schlagzeuger und Bassist waren (ohne nähere Erklärung) zu Hause geblieben. Die akustischen Stücke haben vermutlich eine sehr junge Zielgruppe, die war aber nicht da. Wir spielten währenddessen Referenzenraten und hörten immer wieder Wonderwall, Ironic und Talking about a revolution raus.

Als das akustische Trio durch war, hatte sich das Luxor schon deutlich besser gefüllt. Daß es dann auch immerhin schon neun war, als es losging, nahm dem Konzert ein wenig den Schrecken eines Nachmittagprogramms. In Köln ist das ja bekanntlich
üblich an Wochenenden. Während der Woche kann es gar nicht spät genug losgehen, Freitag und Samstag dagegen ist anschließend Disko, also sollten die Bands bis zehn durch sein, um Platz für die wirklich hippen Menschen zu schaffen.

Seit sie vor zwei Jahren zum ersten Mal im Luxor gespielt haben, sind die
Pains Of Being Pure At Heart routinierter geworden- aber nur im positiven Sinne. Vor zwei Jahren wirkten die fünf Musiker noch sehr schüchtern und zurückhaltend, heute spürt man, daß das Touren mittlerweile normal ist und alle Unsicherheiten weggespielt sind.

Für Zweifel gäbe es eh keinen Grund. The
Pains Of Being Pure At Heart verfügen mittlerweile über einen solch großen Fundus an großartigen Liedern, daß kaum etwas schiefgehen kann. Nur der Soundmann könnte es versauen, wenn die Gitarren (oder die Lautstärke ansich) zu leise geregelt wären, das hatte er aber nicht, also war das Konzert hervorragend ohne Abstriche.

Auch wenn ich das zweite Album Belong (2011) deutlich seltener gehört habe, als die ersten EPs und die Debütplatte, verschwimmen langsam die die Grenzen. Beim Konzert im Februar war mir ein Großteil der Lieder von Belong noch unbekannt, jetzt
sind das schon fast alles Ohrwürmer. Belong, My terrible friend oder Heart in your heartbeat zum Beispiel sind schließlich riesige Knüller! Trotzdem waren die zehn besten Minuten des Abends die ineinander übergehenden Come saturday und Young adult friction; das kann man wirklich nicht besser machen!

Als erste Zugabe spielte Kip erst solo Contender. Das hatte er auch im mtc schon gemacht. Erst war diese Version ungewohnt, aber auch auf Platte ist Contender das abgespeckteste Lied, es macht also Sinn so, auch wenn mir die Lieder mit breiten Gitarrenwänden mehr Spaß machen. Say no to love und Strange beendeten das Konzert - eigentlich. Denn die fünf New Yorker beugten sich dem Applausdruck und kamen noch einmal raus. "Wir haben nichts mehr", zumindest nicht vorbereitet, aber auch Hey Paul war toll und ein schöner Abschluß.

Wir waren uns hinterher einig, daß der Halbjahresrhythmus der Köln Konzerte der Pains unbedingt beibehalten werden sollte. Langweilig wird diese Band ganz sicher nicht.
This love is fucking right!

Setlist The Pains Of Being Pure At Heart, Luxor, Köln:

01: Belong
02: This love is fucking right!
03: Heart in your heartbeat
04: The body
05: Heaven's gonna happen now
06: Stay alive
07: My terrible friend
08: Come saturday
09: Yound adult friction
10: Too tough
11: Everything with you
12: The pains of being pure at heart

13: Contender (Z) (Kip solo)
14: Say no to love (Z)
15: Strange (Z)

16: Hey Paul (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- The Pains Of Being Pure At Heart, Köln, 22.02.11
- The Pains Of Being Pure At Heart, Latitude-Festival, 18.07.10
- The Pains Of Being Pure At Heart, Köln, 04.06.09
- The Pains Of Being Pure At Heart, Paris, 26.05.09




Freitag, 8. Juli 2011

Vetiver, Paris, 07.07.11

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Konzert Vetiver ( Marques Toliver, Hélène Renaut)
Ort: La Flèche d'or, Paris
Datum: 07.07.2011
Zuschauer: recht gut besuchte Veranstaltung, geschätzte 300


Vorzüglicher Auftritt einer hervorragenden Band: Vetiver beehrten die Pariser Flèche d'or bei ihrem letzten Konzert vor der Heimreise in die USA.

Und die Truppe um den Sänger/Liedschreiber Andy Cabic (Kumpel von Devendra Banhart) mobilisierte noch einmal letzte Reserven. Fünf Musiker agierten auf der Bühne und schufen einen äußerst harmonischen, vielschichtigen, abwechslungsreichen und sonnendurchfluteten Sound, der vor allem (aber nicht nur) den Amerikanern im Publikum bestens mundete.

Ich hatte Vetiver bereits Anfang 2009 einmal live gesehen, aber von der damaligen Beestzung schien nur noch Chef Andy Cabic übrig geblieben zu sein, was unterstreicht, daß er im Grunde genommen die Band ist. Aber seine Mitmusiker waren allesamt wichtig, denn jedes Instrument war Teil des Puzzles, das zusammengesetzt ein wundervolles Bild ergab. Nichts wurde forciert, nie mit der Brechstange agiert, sondern auf subtile und nonchalante Weise fabelhafte Songs aus dem Ärmel geschüttelt, denen ich auf Anhieb gewaltiges Wachstumspotential attestiere. Die Melodien klangen fein und dezent und fielen nicht direkt mit der Tür ins Haus. Cabic und seine Kollegen wissen wohl, daß ihre Songs für sich selbst stehen und nicht durch Effektheischerei marktschreierisch angepriesen werden müssen.

Allein die wunderbar milde und leicht würzige Stimme von Andy war das Kommen wert, sie puderte Wunden zu, bezauberte, tröstete, wirkte wie ein natürliches Antidepressivum. Auch der junge Gitarrist rechts auf der Bühne vermochte zu begeistern. Bei ein paar Stücken spielte er solch tolle melodische Riffs, das ich mit der Zunge schnalzte. Ihm in nichts nach stand der wuschelige Drummer, der auf beindruckende Weise sein Schlagzeugspiel variierte. Mal ganz zart mit dem Schneebesen gerührt, mal energischer mit den Sticks bearbeitet, immer untermalte er glänzend die Stimmung der jeweiligen Lieder.

Die lockige Keyboardspielerin und Background- Sängerin wiederum hatte ihre beste Szene bei dem Go Betweens Cover Streets Of Your Town. Wie sie zuckersüß und lieblich den Refrain sang, das war einfach zu schön um wahr zu sein.

Aber auch der Basser machte seine Sache sehr odentlich, man konnte wirklich von einer gut eingestimmten Truppe sprechen.

Schon früh wurde mit dem Neuling Hard To Break ein besonders sonniger und melodiöser Song gebracht, der mich auf Anhieb davon überzeugte, daß ich das neue Album The Errant Charm haben musste. Von dem Werk gab es später noch andere Stücke, die ebenfall hochkarätig waren, allen voran das beschwingte, fein perlende Wonder Why.

Aber auch das ältere Album To Be Gone wurde mit der Ballade Maureen und dem psychedelischen You May Be Blue gewürdigt, das Set war letztlich eine Art Best Of, in dem sich verhuschte Dream Pop Stücke und Uptempo Nummern von allen Schaffensperioden die Waage hielten.

Unabhängig von der Geschwindigkeit der jeweiligen Lieder tanzten aber ein paar alte Witzbolde durchgängig wild und mit ausladenden Gesten ab, als würde dort vorne eine Post Punk Band spielen. Das Ganze hatte einen Hauch von Monty Python und einige Leute hatten vor Lachen Tränen in den Augen.

Ein amusantes, ein hochklassiges Konzert, in jeder Hinsicht!

Vorher hatten Hélène Renaut und Marques Toliver in den Abend eingeläutet.

Hélène ist eine in San Francisco lebende Französin, die barfüßig ein paar an Vashti Bunyan erinnernde Folksongs performte. Den Liedern wohnte ein altmodischer, stark peaciger Charme inne, so als seien sie in den friedliebenden 60 er oder 70 er Jahren geschrieben worden. Einen Chanson sang Reanut auch in französich, aber er blieb die Ausnahme in einem schönen, aber etwas langatmigen Set.

Marques Toliver aus London kam nach Hélène Renaut zum Zuge und traf stilistisch nicht wirklich meinen Geschmack. Sein inbrünstiger soulig- bluesiger Gesang zerrte ziemlich bald an den Nerven und ich war froh, als er mit seinem Programm durch war. Dabei war der sympathische Bursche sehr vielseitig (Geige, Autoharp) und ein guter Entertainer, der beim letzten Titel sogar einen Abstecher ins auf dem Boden sitzenden Publikum wagte.

Setlist Vetiver, La Flèche d'or, Paris:

01: Strictly
02: Hard To Break
03: Worse For Wear
04: Rolling Sea
05: Maureen
06: Angel's Share
07: It's Beyond Me
08: You May Be Blue
09: Another Reason To Go
10: Can You Tell
11: Pay No Mind
12: Everyday
13: Right Away
14: Streets Of Your Town (The Go-Betweens)
15: Wonder Why

16: Wishing Well
17: More Of This

Aus unserem Archiv:

Vetiver, Paris, 19.02.09



Donnerstag, 7. Juli 2011

Liza Manili, 06.07.11

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Konzert: Liza Manili

Ort: Panic Room, Paris
Datum: 06.07.2011
Zuschauer: viele für die winzige Location, etwa 60
Konzertdauer: etwa 45 Minuten


Schon fast unverschämt, wie hübsch, stilvoll, charmant und gertenschlank viele Pariserinnen sind. Da fragt man(n)/Frau sich, wie die das machen.

Sind die schon so auf die Welt gekommen, oder sind das alles Schauspielerinnen? Im Falle von Liza Manili kann man die zweite Alternative schon gleich mit ja beantworten. Sie ist in der Tat Schauspielerin bzw. "comedienne" wie man in Frankreich sagt. Trotzdem kannte ich sie bisher noch nicht. Nicht weiter verwunderlich, wenn man weiß, daß ich nie ins Kino gehe und im Fernsehen lediglich Tennis gucke.

Auf Schauspielerinnen aufmerksam werde ich in der Regel erst, wenn sie anfangen zu singen. In der Vergangenheit nahm ich somit zumindest Notiz von den Gesangesbemühungen von Charlotte Gainsbourg, Sandrine Kiberlain, Emanuelle Seignier, Julie Delphy, Claire Keim und kürzlich Melanie Laurent, ohne je einen Film von ihnen gesehen oder ihre CDs ernsthaft gehört zu haben (Ausnahme Charlotte Gainsbourg).

Heute nun also die Live-Kostprobe von Liza Manili. Hübsch, stilvoll, charmant und gertenschlank. Sagte ich nicht, daß ich den Eindruck habe, (fast) alle Pariserinnen seien so? Und natürlich sind sie nie overdressed, zu stark geschminkt oder aufgedonnert. Kein einziger stilistischer oder modischer Faux-Pas, da können sich die Russinnen, Amerikanerinnen, Engländerinnen, Deutschen eine Scheibe von abschneiden. Im Grunde genommen gibt es das nur in Frankreich bzw. nur in Paris. Diese lässige Eleganz, diese Natürlichkeit, dieser dezente Schick. Da wird nicht mit Designerklammotten geprotzt, werden keine falschen Nägel aufgeklebt, keine glitzernden Handtaschen getragen. Diese Art von Vulgarität überlässt man den anderen Nationen bzw. dem Süden Frankreichs, den die Pariser wegen seiner neureichen Protzigkeit verabscheuen. In der Seine-Metropole ist man nicht bling-bling, sondern hippie chic.

Umzingelt von diesen Hippieschicken, diesen Hipstern, Bobos, Film- und Kunstschaffenden, saß ich Bauernlümmel aus dem Westerwald also in einem kleinen Laden namens Panic Room und wartete auf den Beginn des Konzertes von Liza. Bei den Männern saß der gepflegte Dreitagebart wie er sollte, die Bräune war dezent (sich durchgrillen zu lassen ist ja sowas von vulgär!), die Klamotten auf lässige Art und Weise schick, die Bäuche flach und straff.

Gleich neben mir saß Soko, die Pariser Sängerin und Schauspielerin, die vor ein paar Jahren nach Los Angeles gezogen ist, weil sie findet, daß die Franzosen ein barbarisches Fleischfresservolk sind, in dem sie als Veganerin nicht in Ruhe leben kann. Nun mampft sie also in Kalifornien Avocados und glutenfreies Toast- Brot mit Gemüsesaft und spielt mal hier, mal da. Leben wie Gott in Fr.., äh, den USA! Liza Manili ist wohl eine gute Freundin von Soko, zumindest konnte man diesen Eindruck auf Grund der stürmischen Beifallbekundungen der Stephanie Sokolinski gewinnen.

Manili legte gegen 21 Uhr 15 los. An ihrer Seite spielte ein lockiger, dreitägebärtiger Gitarrist, der mich stark an Albert Hammond Jr. erinnerte. Sein Name: Séverin. Aber er war nicht nur zum Schönsein da, sondern wichtiger Part im musikalischen Gefüge. Seine wavige Gitarre sorgte zusammen mit dem französischen Gesang von Liza für einen frühen 80 er Jahre Retrosound, wie ihn auch die Band La Femme spielt. New Wave made in France ist also zur Zeit schwer angesagt und mir kann's nur recht sein, denn die Songs von Manili waren wirklich fetzig und ohrwurmig. Toll auch ihre Stimme, sinnlich, süßlich, anziehend. Lediglich das Auflegen der Schallplatten funktionierte nicht immer ganz so reibungslos, da gab es ab und zu Hänger und Fehlstarts.

Egal, die Stimmung war dennoch bestens und die Chansons perlten wirklich wie ein kühles Glas Champagner im Hochsommer. Chansons, die sicherlich zum Großteil auf dem ersten Album der gebürtigen Straßburgerin landen werden (Erscheinungsdatum Januar 2012). Unterhaltsam und kurzweilig war das Material auf alle Fälle und ganz zum Schluß präsentierten uns die beiden Musiker dann noch einen veritablen Hit. Le Petit Train ist so eingängig, ja fast kariös, daß man das Lied schon nach dem ersten Hördurchgang nicht mehr aus dem Ohr bekommt. "Le petit train, les aller-retours, le petit train les aller-retours, ladadidada", imparable (unwiderstehlich) wie man in Frankreich sagt!

Der kleine Panic Room tobte und so musste Liza die erste Zugabe ihees Lebens geben. Hierbei spielte ihr aber ihr Plattenspieler einen Streich, denn die Nadel blieb irgendwann in der Mitte des Stückes hängen und auch beim zweiten Versuch wiederholte sich dieses Malheur, so daß sie schmunzelnd abbrach.

Ob Liza auf Platte genauso anziehend wirkt wie live, bleibt abzuwarten, aber das Liverlebnis ist mir ja eh das liebste. Und wenn dann noch solch ein Schnuckelchen auf der Bühne steht....

Schon fast unverschämt!






Dienstag, 5. Juli 2011

Weakerthans, DeVotchKa u.a., Duisburg, 02.07.11

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Konzert: The Weakerthans, DeVotchKa u.a. (Traumzeit Festival)
Ort: Landschaftspark Nord, Duisburg
Datum: 02.07.2011


Gastbeitrag von Nelle

Das Traumzeit-Festival findet jährlich im Duisburger Landschaftspark Nord statt auf dem Gelände eines ehemaligen Hüttenwerks. Die Bühnen sind dort zwischen ehemaligen Hochöfen und in leergeräumten Maschinenhallen, ein wundervolles Ambiente. Abends wird dann noch das Gelände illuminiert. Seit Jahren hatte ich immer mal überlegt für die ein oder andere Gruppe hinzugehen, habe es dann aber nie gemacht.


Mein Grund jetzt endlich einmal hinzugehen waren die Weakerthans, die ich schon seit dreieinhalb Jahren nicht mehr gesehen habe und deren letzter Auftritt im Ruhrgebiet sogar mehr als sieben Jahre zurückliegt – da habe ich noch gar nicht hier gewohnt. Tags zuvor wäre zwar auch ein Konzert in Köln gewesen, aber Duisburg ist halt näher. Das Traumzeitticket war mit knapp unter 30 Euro teurer als eine Eintrittkarte für Köln, aber das hätte sich durch die Anfahrt ja nicht mehr groß unterschieden. Jedenfalls hatte ich also eine Tageskarte für den zweiten von drei Festivaltagen. Ein bisschen schade um die anderen Bands (Freitag z. B. Caribou, Mogwai und Ólafur Arnalds, Sonntag u. a. Dirk Darmstaedter, Hundreds und ein gemeinsamer [!] Auftritt von Alec Empire und Patrick Wolf), aber man kann nicht alles haben.

Direkt vor dem Duisburger Hauptbahnhof fuhr ein Shuttlebus zum Landschaftspark, besser geht es also verkehrstechnisch kaum. Etwa eine halbe Stunde vor Beginn war ich vor Ort, bekam ohne jegliche Warteschlangen mein Bändchen und schon konnte ich rein. Zwei Dinge fielen schnell auf: a) Nur ein Teil des Landschaftsparks wurde für das Festival genutzt, der Rest war abgesperrt. Schade zwar, aber auch sicherer und nachvollziehbar – man hätte sonst sicher zwanzigmal so viele Sicherheitsmenschen gebraucht. b) Der Altersschnitt war deutlich höher als bei den meisten anderen Festivals. Und die Essensauswahl! Gegrilltes (sogar Lamm!), Crepes, Thailändisch, Pommes, Döner und und und... prima. Fehlte nur noch der Afghane vom Phono Pop.

Pünktlich um 16 Uhr begann auf der Bühne neben dem Gasometer (in dem man heute tauchen kann!) mit DeVotchKa die neben den Weakerthans einzige Band des Tages, von der ich auch Musik habe. Ihre Rockmusik mit osteuropäisch angehauchter Folklore wurde mit einen gewohnt breiten Instrumentarium gespielt, u. a. dem wundervollen Theremin. Die Kontrabassistin spielte darüber hinaus zeitweise auf einer sehr großen Tuba – laut Wikipedia ein Sousaphon – die zudem auch noch bunt verziert war. Mit diesem Ding um Schultern oder Hals tanzte sie dann noch sonnenbebrillt über ihren Bühnenteil, sicherlich das meistfotografierte Fotomotiv des Auftritts. Da ich die Songtitel nicht kenne, kann ich nichts zu den Stücken sagen. Außer dass es mir gut gefallen hat und auch sehr gut ankam. Zu diesem Zeitpunkt schien auch die Sonne und es war fast warm. Zum letzten mal an diesem Tag...

Wem die Instrumente von DeVotchKa schon zu exotisch waren, ging nun ganz sicher nicht in die Gießhalle. Die Gießhalle ist übrigens keine richtige Halle, da sie zu zwei Seiten offen ist und das ganze ordentlich Durchzug ergibt. Zudem gibt es eine Art Tribüne aus Stein, so dass Stühle theaterähnlich höherwerdend aufgestellt werden können (siehe Bild oben). Dort war nun die Gruppe Myanmar Hmu Gitameit angesetzt, die ihre Herkunft ja schon im Namen trägt. Im Rahmen des kulturellen Austauschs versucht man seitens des Traumzeit-Festivals die hier völlig unbekannte Musik aus dem politisch, wirtschaftlich und auch sonst in jeglicher Art abgeschotteten Myanmar (Birma/Burma) zu Gehör zu bringen und hat daher eine Reihe von Ensembles aus dem südostasiatischen Land eingeladen. Die Band bestand aus einem über 80-jährigen Mann, der eine Art Gitarre auf dem Schoss spielte sowie einem Musiker, der zwischen einem Klavier und dem Patala wechselte. Letzteres ist eine Art Xylophon, bei dem die Holzstäbe an zwei Bändern über einem Holzblock hängen. Dazu gab es noch eine Sängerin mit zwei kleinen Instrumenten in ihren Händen. Das eine machte "Pling" (wie eine neuere Fahrradklingel), das andere "Klack". Diese beiden spielte sie während dem Singen immer abwechselnd, meist das ganze Stück lang. Gesungen wurde in Landessprache. Ich habe ja einen leichten Hang zu südostasiatischem Gesang und finde z. B. die kalifornisch-kambodschanische Gruppe Dengue Fever großartig. Der Auftritt bekam zwar gegen Ende seine Längen, war aber dennoch sehr spannend – solche Musik kriegt man ja sonst in Europa nie zu hören und hat im Hinterkopf, asiatische Musik besteht nur aus der Klimbim-Hintergrundbeschallung im Chinarestaurant.

Weiter ging es mit dem größtmöglichen Kontrast, da wird man wirklich herausgefordert bei der Traumzeit. In der neben der Gießhalle befindlichen Pumpenhalle spielten ZU aus Italien. Spätestens als ich las, dass sie zuletzt mit Mike Patton zusammengearbeitet haben, hätte klar sein müssen, dass das nicht unanstrengend wird... Das Trio spielte in einer ohrenbetäubenden Lautstärke auf Kontrabass, Schlagzeug und Saxophone ... ja was eigentlich? ... ich nenne es mal Dröhnen. Es war eine Mischung aus Doom Metal und Jazz und das erste Lied, das ich hörte, war wirklich ein zehnminütiges, sich immer weiter steigerndes, Dröhnen. Die anderen Stücke waren zwar etwas angenehmer, aber insgesamt war es wirklich anstrengend und ohrenzerberstend. Aber es hatte seine Faszination, war schon wieder spannend (so viele spannende Bands!) und irgendwie auch verrückt, was man mit so normalen Instrumente machen kann. Mehr als 20 Minuten ging aber nicht.

Auf der Außenbühne am Gasometer war nun gleichzeitig ein Norweger namens Bernhoft, der mit seiner Akustikgitarre und einem Stop-Repeat-Sampler-Schalter eine ganze Soul-/Funk-Band zusammensetzte. Fand ich jetzt eher so lala.

Weiter ging es stattdessen ins Hüttenmagazin zum Instrumentenworkshop Myanmar mit dem Hsaing Waing Ensemble Hein Tint, das am Vortag bereits einen regulären Auftritt absolviert hat, und der oben genannten myanmarischen Gruppe. Nach einer kurzen Musikdarbietung wurden die Instrumente des HWEHT vorgestellt und erklärt. Darunter das Pat Waing (s. Foto), bei dem 21 einzelne Trommeln in einem kreisförmigen, goldenen Ring hängen, in dessen Mitte der Musiker sitzt, und das chromatische Gongspiel Maung Zaing. Lauter Instrumente, die ich noch nie gesehen habe... Laut Programmheft hätten diese es teils sogar beinahe nicht zum Festival geschafft, da diverse mit Tierhaut bespannte Trommeln (u. a. im Pat Waing) aus seuchenschutzrechtlichen Gründen tagelang nicht ins Land gelassen wurden. Nach der Erklärung der Instrumente durch eine Musikethnologin konnte man diese auch ausprobieren, was aufgrund der Sprachbarrieren (die Musiker sprachen weder Deutsch noch Englisch) anfangs schwierig war, aber dann immer besser klappte. Falls sich jemand dafür interessiert oder das einfach mal hören möchte: WDR 3 sendet am Di. 05.07. um 23 Uhr einen einstündigen Mitschnitt der beiden Gruppen aus Myanmar vom Traumzeit-Festival.

Während dort noch ausprobiert wurde, ging ich aber schon zurück zur Gießhalle, wo nun die Weakerthans spielen sollten. War es anfangs noch sehr leer, wurde es nun schnell voll. Glücklicherweise war ich nicht der einzige, der auf einen Sitzplatz verzichtete und sich in den Raum zwischen Bühne und Tribüne stellte. Im Publikum schnell das gewohnte Weakerthans-Publikum-Bild: Alle freuen sich und strahlen selig lächelnd John K. Samson (und manchmal auch seine Mitmusiker) an.

Da ich die Songtitel immer durcheinander bringe, kann ich nicht genau beschwören, was gespielt wurde. Folgende Stücke waren in jedem Falle dabei: Aside, Benediction, Civil twilight, Left and leaving <3, Manifest, Reconstruction site, The reasons, This is a fire door, Tournament of hearts, Watermark. Zudem natürlich das solo vorgetragene "One great city!" über die Heimatstadt der Band, Winnipeg.

Nach etwa 70 Minuten und einer kurzem Zugabe war das Konzert vorbei, der Applaus wallte aber noch minutenlang zwischen den stählernen Wänden. Die hatten den Sound zuvor während den lauteren Stücken etwas demontiert, aber das ging in Ordnung. Das traf weniger auf zwei Damen vor mir zu, die durch ständiges Kreischen Stahlwände zum Schwingen und Trommelfelle zum reißen brachten. Eigentlich hatte ich mir Hoffnung gemacht, dass WDR 3 das wohl aufgezeichnete Konzert Ende des Sommers noch ausstrahlt, aber da werden schon allein aus der Mikrofontonspur so viele schrille Höhen rauszufiltern sein, dass sich sicher keiner die Arbeit machen wird...

Folkrock, burmesische Folklore, Lärm, Soul, Indiepop... was fehlt noch? Genau: Elektronische Ambientmusik. Also schnell zurück in die Pumpenhalle und einen netten Sitzplatz neben der Bühne sichern für Kreidler. Die beiden Damen vom Weakerthans-Auftritt setzten sich direkt hinter mich, blieben aber dieses mal ruhig. Die Bühnenansager bemühten sich um eine bewusst möglichst doofe Ansage ("Wir wollten eine Band aus Düsseldorf. Ein Kraftwerk haben wir selber hier, daher jetzt Kreidler.") und dann ging es los. Mir gefällt die Gruppe gut, aber ich habe da auch keinen sonderlichen Wiedererkennungswert bei den einzelnen Stücken. Wenigstens weiß ich jetzt, was ich meinem Vater zu Weihnachten schenke – eine Kreidler-CD.

Nach einer für Festivalverhältnisse sowohl in Sachen Größe als auch Geschmack überdurchschnittlichen Mahlzeit und Hintergrundmusik von einer Dame, die Doris Day-Lieder spielte, ging es zurück in die Gießhalle, wo es nun endgültig kaaaalt war. Mein Schnupfen quälte mich schon den ganzen Tag (Dauergedanke: "Wann ist das Lied endlich zu Ende, ich muss mir die Nase putzen!"), nun wurd es aber endgültig zu viel. Frierend und dauerschniefend saß ich da und wartete auf die Band Amiina aus Island. Die wurden im Programmheft als vier Damen mit Streichinstrumenten angekündigt, die früher bei Sigur Rós mitgespielt haben, plus zwei Herren. Es waren aber nur drei statt vier Damen und Streichinstrumente hatten sie auch nur in geringer Menge... zudem sahen sie so jung aus, dass sie diese Band unmöglich vor 13 Jahren an einer Musikhochschule gegründet haben können. Laut Wikipedia sind sie alle über 30, das hätte ich nicht gedacht. Erkältungsbedingt habe ich von dem Konzert gar nicht so viel mitbekommen, schade eigentlich. Inzwischen hatten aber ohnehin fast alle Besucher eine Erkältung und die Taschentücher machten die Runde... Gegen Ende ging es etwas besser und ich glaub es war ziemlich gut. Viele Instrumentenwechseln untereinander, jeder konnte alles.

Zum Ausklang des Abends gab es noch eine Jamsession mit den burmesischen Musikern vom Nachmittag und einer Reihe europäischer Musiker, primär aus dem Jazzbereich (z. B. die Schlagzeugerin Anne Paceo aus Frankreich, die zuvor in der großen Kraftzentrale aufgetreten war). Durch die komplett andere Rhythmik der Asiaten und die für uns teils nicht unbedingt nachvollziehbaren Melodien gab es da anfangs ziemliche Probleme, da wurde mitunter in verschiedene Richtungen gespielt. Kommunizieren konnten sie ja nur durch Zeichen und Musik. Klappte mit der dann Zeit besser und wurd richtig prima. Crossover in gut, quasi.

Um kurz vor 2 Uhr wollte ich dann eigentlich gehen, verpasste aber den Bus und blieb noch eine weitere halbe Stunde. Inzwischen war dann auch auf der Bühne Ruhe eingekehrt und mir war nur noch kaaalt. ;-)



 

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