Samstag, 9. April 2011

Chad VanGaalen & Crocodiles, Paris, 08.04.11


Konzert: Chad VanGaalen & Crocodiles (The Missing Season)

Ort: la Flèche d'or, Paris
Datum: 08.04.2011
Zuschauer: viele


Ein aufregendes Gefühl. Dieser stimulierende Gedanke, einen würdigen Nachfolger des großen, des unvergessenen Elliott Smith für sich entdeckt zu haben. Seit dem Tode des fantastischen, depressiven Singer/Songwriters im Jahre 2003 klafft eine Lücke, die geschlossen werden muss. Kaum ein Zweiter hat mich mit seinen Liedern und seinem düsteren Songwriting so bewegt wie Elliott. Aber man muss es hinnehmen wie es ist, von Smith wird es keine neuen Stücke mehr geben, selbst wenn immer mal wieder unveröffentliche Sachen im Netz auftauchen oder altes Material wie bei der Doppel-CD Full Moon erstmals auf Tonträger gebannt wird.

Für durchaus guten Ersatz haben in den letzten Jahren vor allem Sufjan Stevens, Troy von Balthazar und Loney, Dear gesorgt. Aber traurige Sänger mit verzweifelten Texten kann es auf dieser Welt gar nicht genug geben, insofern ist das Emporkommen eines Chad VanGaalen ein Geschenk Gottes. "When I die I'll hang my head beside the willow tree when I'm dead is when I'll be free. And you can take my body put it in a boat light it on fire you can use the kerosene." Diese Songzeilen haben sich in den letzten zwei Tagen tief in mein Gedächtnis gegraben. Der Tod als Erlösung und danach ist es egal, was mit einem passiert. Wie traurig, aber gleichzeitig tröstlich dieser Gedanke doch ist. Und wie anrührend es ist, wenn ein junger, gutaussehender Mann wie Chad diese Zeilen mit seiner brüchigen Falsettstimme singt.

Dennoch gehörte ich mit meiner Begeisterung für Chad heute abend in der Pariser Flèche d'or offenkundig einer Minderheit an, denn die meisten Leute waren wohl für die später startenden Crocodiles gekommen. Die erste Zuschauer-Reihe war überwiegend von jungen, aber nicht sonderlich hübschen Amerikanerinnen eingenommen worden. Fans von den Crocodiles wie sich später an den hysterischen Reaktionen herausstellen sollte. Jede Band hat die Fans, die sie verdient, insofern passten die häßlichen Kröten zu den Crocodiles. Bei solchen Groupies geht man dann als Musiker sicherlich gerne alleine aufs Hotelzimmer und zieht die Onanie vor.

Aber ich schweife ab. Also, Chad klasse, aber das heutige Publikum hatte ihn nicht wirklich verdient. Viele plapperten während seines Konzertes laut und ungeniert rum und hinterher hörte man allenthalben einen Standartsatz, den ich nur schwerlich ertragen kann: "c'était pas mal"- das war nicht schlecht. Er fällt quasi immer, wenn eine Konstellation wie die heutige vorliegt. Wenn nämlich am Anfang ein eher ruhiger Singer/Songwriter angesetzt ist und hinterher Lärmmacher in den Ring geschickt werden, für die die meisten Leute gekommen sind. Der stillere Künstler bekommt dann kaum Gehör, wird als ganz nett, aber ein wenig langweilig abgecancelt und die Krachmacher bekommen die ungeteilte Aufmerksamkeit und den oft unverdienten Zuspruch. Zum Kotzen. Auch Horse Feathers hatten sich bei mir über diesen Umstand beschwert. Auch sie wurden vor ein paar Monaten zu früher Stunde in der Flèche d'or verheizt und gingen neben den späteren Rockern ein wenig unter.

Also, die Einstufung "war nicht schlecht", insofern völliger Papperlapapp. Großartig war er, der Herr von Gaalen, jawohl! Sensationell wie er zeitlose Folk/Indierocksongs aus dem Ärmel schüttelte, famos wie er sang, bemerkenswert wie eigenständig sein Songwriting war, herrlich seine Melodien. Er war wieder als Alleinunterhalter unterwegs, spielte im Sitzen und bediente mit den Füßen die Pedalen seines Schlagzeuges, während sich seine Hände abwechselnd an Gitarre, Banjo und Ukulele zu schaffen machten. Der Mund war nebem dem Singen mit dem Mundharmonika spielen beschäftigt. Das Ganze klang knarziger, rockiger und energischer als beim gestrigen, rein akustischen, Showcase im Fargo Record Store, aber an der zarten Brüchigkeit der Kompositionen und ihrem Liebreiz änderte das nicht viel. Die Sache hattte nur etwas mehr Bums. Auch die gespielten Lieder waren fast die Gleichen, aber überhaupt nicht in der selben Reihenfolge. Wieder gab es etliche Neuheiten von dem noch nicht erschienenen Album Diaper Island und erneut gefiel mir davon "Sara wake me up" (Songzeile, der Titel heißt schlicht und einfach Sara) besonders gut.

Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte, wie die Lieder heute abend geklungen haben schaue sich das eingebundene Video von I Changed My Name an, das heute auch Teil der Setlist war.


Chad VanGaalen - I changed my name from Welcome To The West on Vimeo.



Achso, die Crocodiles. Fürchterliche Poser-Band mit schwachen Liedern. In der Presse hatte ich immer mal wieder The Jesus and Mary Chain als Referenz gelesen, aber diesbezüglich bin ich inzwischen extrem vorsichtig geworden. Seitdem die Kultband im Zusammenhang mit einer Nietentruppe wie Glasvegas erwähnt wurde, passe ich da besonders auf und erneut erwies sich der Klon als ganz schwacher Abklatsch. Da lobe ich mir doch Black Rebel Motorcycle Club. Die sind zwar nicht wirklich genial, dafür aber sehr solide, tight und routiniert. Die Milchbubis von den Crocodiles hingegen wirkten wie eine selbstverliebte, weitestgehend talentfreie Schülerband und der arrogante Sänger mit der Sonnenbrille ging mir dermaßen auf die Nerven, daß ich ihm das häßliche Ding am liebsten von der Nase gestoßen hätte. Dazu kam es aber nicht mehr, nach nur fünf Liedern zog ich Leine. Ich hatte genug gehört und gesehen. Für einen solchen Käse ist mir meine Zeit zu schade.



 

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