Donnerstag, 22. Juli 2010

Crystal Castles, Latitude Festival, 17.07.10


Konzert: Crystal Castles
Ort: Latitude Festival
Datum: 17.07.2010
Zuschauer: 15.000?
Dauer: 40 min


Samstag abend auf der Hauptbühne: James hatten kräftig überzogen, die nachfolgenden Maccabees sollten diese Verspätung durch ein verkürztes Set wieder wettmachen, dachten aber nicht ansatzweise daran und spielten nach dem Hinweis, zum Schluß zu kommen, noch drei oder vier Lieder.

Ausbaden mussten das Crystal Castles, die erst mit 15 Minuten Verspätung anfangen durften. Die zusätzliche Zeit war allerdings auch dringend nötig, denn ein ganzer Stab Techniker suchte verzweifelt einen Weg, eine Konstruktion aufzubauen, mit der man von der enorm hohen Bühne herunterklettern könnte. Erst wurde ein richtiges Treppenelement herbeigeschleppt und mit ein paar unterbauten Paletten an einem der Kameratürme montiert. Das stellte die Crew aber noch nicht zufrieden, es wurde hin- und hergerückt, bis das Treppendings wieder in der Ecke landete. Versuch zwei war paragmatischer. Aus Bühnenkisten sollte jetzt eine Stiege gebastelt werden. Also stellte ein cleverer Tüftler unten zwei der Wagen auf und packte einen dritten auf die beiden unteren. Das überbrückte den Weg zur Bühne ganz gut. Allerdings hatte niemand beachtet, daß die Bühnenboxen auf Rollen stehen und eine Treppe, die in alle Richtungen gleichzeitig rollt, sicher nicht zu den größten Glanztaten angewandter Ingenieurskunst gehört. Also die Dinger drehen, Räder nach hinten. Plötzlich trauten sich die ersten Tester von oben runter. Um das ganze aber auch TÜV Suffolk tauglich zu machen, klebte einer der Bastler noch Panzerband auf alle Ecken und Kanten der Kisten. Damit diejenigen, die von oben runterklettern würden, auch den Weg finden würden, machte man dann noch einen Richtungspfeil auf die Kisten. Da: unten.

Kurz danach kam dann auf der Bühne Nebel auf. Drei (statt der von mir erwarteten zwei) Musiker entstiegen dem und machten schnell großen Lärm. Crystal Castles sind Ethan Kath und Sängerin Alice Glass. Live wurden sie von einem Schlagzeuger begleitet, vermutlich Christopher Chartrand). Obwohl sie heftig ins Mikro schrie, hörte man von Alice anfangs nichts. Nur das Wummern der Beats, elektronisch oder vom Schlagzeug kommend, war zu vernehmen. Meine Begeisterung hielt sich extrem in Grenzen; in dem Moment wäre mir Scooter lieber gewesen, denn das wäre vermutlich unterhaltsamer gewesen. Alice kauerte da meist im Parka hinter einer der Monitorboxen und sang lautlos. Es war sterbenslangweilig und sehr schlecht.

Daß das Konzert dann aber doch noch die Kurve bekam, hatte eh nichts mit der Musik zu tun. Denn endlich kam das, was mir alle versprochen hatten, das Irre an der Show!

Alice kletterte nach unten. Dabei stakste sie wie ein Storch. Weniger nett formuliert: sie bewegte sich sehr trampelig. Als sie am Gitter angekommen war, kletterte die (verhinderte) Sängerin sofort ins Publikum, um zu crowdsurfen. Das dauerte ewig, währenddessen wummerte es weiter aus den Boxen. Manchmal hörte man gesangsähnliche Sachen, das meiste ging allerdings unter. Nachdem Alice das Spiel ein paarmal wiederholt hatte, kletterte sie wieder nach oben. Allerdings machte sie auf halbem Weg zur Bühne Pause und sank auf die Knie, sie schien restlos fertig zu sein. Oben angekommen, rannte sie aber schnell wieder nach unten, schnappt sich Tourmanager und einen zweiten Bandhelfer und schrie auf die ein. Die beiden halfen ihr erneut aufs Gitter, wo sie wild gestikulierend zum Publikum zeigte. "Some fucking idiot stole my...", brüllte sie durchs Mikro. Daß das kein Liedtext war, kapierte ich, auch ohne mich bisher mit dem Werk des kanadischen Duos befasst zu haben. Nur was der Entertainerin fehlte, habe ich nicht verstanden. Als ich die Fotos anschließend betrachtete, sah ich es sofort: man hatte Alice einen Schuh beim surfen ausgezogen. Sie gab den beiden Bandmitarbeitern eine Beschreibung des Diebs, zeigte immer wieder auf eine Stelle und schlug dann wild ausholend in diese Richtung. Allerdings schien Alice, warum auch immer (Jetlag vermutlich), nicht in der Lage, gezielte Bewegungen zu machen.

Nachdem dem Partyvolk mitgeteilt worden war, daß die Sängerin einen Schuh verloren habe, reagierten die tanzenden Leute in den ersten Reihen konsequent: es flogen enorm viele einzelne Schuhe nach vorne, manchmal sehr dicht am Kopf der Kanadierin oder ihrer Helfer vorbei!

Musikalisch passierte sonst nichts. Man hörte wenig bis gar nichts von der Sängerin, nur die knallenden, elektronischen Rhythmen. Als Konzert mag ich den Auftritt eigentlich nicht bezeichnen. Aber wegen der grandiosen Stimmung, wegen Alices Ausflügen und wegen des lustigen Schuhspiels war die Geschichte dann doch wieder hoch unterhaltsam.




 

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