Dienstag, 13. Oktober 2009

Wild Beasts, Paris, 12.10.09


Konzert: Wild Beasts
Ort: Studios von France Inter, Black Session Bernard Lenoir
Datum: 12.10.2009
Zuschauer: vollbesetzte Ränge
Konzertdauer: 55 Minuten



Paris wie es singt und lacht! Oder so. Auf jeden Fall war am 12. Oktober 2009 in musikalischer Hinsicht eine Menge geboten. Die vielerorts gelobte Shannon Wright im Alhambra, die isländischen Elektropopper Gus Gus im Batofar, die Grungelegenden Mudhoney im Trabendo, die aufstrebenden Südafrikaner Dear Reader im winzigen Keller des Pop In (zudem noch gratis!), die irische Singer/Sonwriterin Rachel Austin bei den Disquaires, es war für jeden etwas dabei!

Nachdem ich dreimal meine Konzertpläne geändert hatte, landete ich schließlich bei der Black Session der Engländer Wild Beasts.

Der Landeanflug war allerdings reichlich verspätet! Gut, daß ich das Maison de Radio France inzwischen fast so gut kenne wie meine Westentasche! Der reguläre Eingangsbereich war nämlich schon geschlossen, die Hostessen, die die Einladungskarten verteilen, abgezogen und kein Gast mehr auf den Fluren unterwegs. Ich musste außenrum laufen und durch den Hintereingang reinkommen. Völlig abgehetzt erreichte ich die Halle vor dem Studio 105, wo die Black Sessions stattfinden. Die nette Dame vom Empfang guckte mich verdutzt an und wollte meine Pappkarte sehen, die Einlaß gewährt. Ich erklärte ihr, daß ich so spät dran gewesen sei, daß ich sie gar nicht mehr abholen konnte. Sie versuchte streng zu gucken, belehrte mich, daß sie normalerweise niemanden mehr reinlassen dürfe und beendete den Satz mit: "Ausnahmsweise mache ich ihnen noch die Tür auf, aber seien sie mucksmäuschenstill und setzen sich auf den nächsten Platz, die Sendung läuft schon!"

Ich hätte die Gute umarmen können, aber das wäre wahrscheinlich deplatziert gewesen und hätte auch zuviel Lärm gemacht...

Ich sitze jetzt also auf einem dieser an der Seite befindlichen Klappstühlchen und glotze auf die Bühne. Die Wild Beasts sind schon in voller Aktion. Die Studiouhr zeigt die Zeit an: 22 Uhr 08. Vielleicht habe ich schon ein Lied verpasst, aber das ist unwahrscheinlich, weil um Punkt 10 erst die Nachrichten kommen und dann Moderator Bernard Lenoir noch eine kurze Ansage macht. Sicherlich hat er von der ungewöhnlichen Falsettstimme von Sänger Hayden Thorpe berichtet, der als direkter Nachfahre von Jimmy Somerville angesehen werden kann. Sein Kopfgesang ist wirklich unglaublich, wüßte man es nicht besser, würde man eine Opernsängerin hinter dem Mikro vermuten. Aber wir haben es bei Hayden in der Tat mit einem Mann zu tun. Jung ist er (gerade einmal 23 Jahre alt) und groß gewachsen. Die Schuhgröße würde ich auf 46 schätzen. Mindestens. Mit seinem Mützchen ähnelt er einem anderen Star der 80 er Jahre, nämlich Mark Hollis von Talk Talk. Auch der Sound der Band ist 80 ies-lastig, aber die Gitarren und die Keyboards klingen so modern, daß man keinen Zweifel hat, daß das Ganze in der Jetztzeit entstanden ist. Eine tanzbare Mixtur aus stakkatischem Schlagzeugwirbel mit afrikanischem Einschlag (die Bongos), fetzigen Beats und sphärischen und melodiösen Gitarren haben die 4 Jungs kredenzt und es ist insofern schade, daß man den Abend sitzenderweise verbringt. Außer ein paar Leuten, die sich auf den Oberschenkel schlagen, sieht man kaum Regung im Publikum. Und dies obwohl das neue, hochgelobte Album doch Two Dancers heißt. Jetzt ein wenig tanzen, das wärs!

Keine richtige Konzertatmosphäre also, aber zumindest die Tonqualität ist brilliant. Man hört jede noch so kleine Finesse, von denen es bei den Wild Beasts viele gibt, heraus. Die Burschen haben wirklich Ideen, liegen musikalisch irgendwo zwischen den Foals und Vampire Weekend, die ja auch die moderne Popmusik mit Innovationen beglückt haben. Über allem steht aber die Stimme von Hayden Thorpe. Sensationell wie hoch er kommt und witzig wie er manchmal knurrt! Dabei singt er längst nicht bei jedem Lied. Auch Bassist und Keyboarder Tom Fleming darf immer mal wieder in die Bühnenmitte und hinters Mikro. Vielleicht ist das auch besser so, sonst würde das Kehlchen von Hayden vermutlich doch etwas nervig. Auch Toms Stimme ist übrigens ungewöhnlich, wenngleich er nicht die extremen Frequenzen von Hayden erreicht.

Hinsichtlich der neuen Stücke ragen die beiden Singles Hooting & Howling und All The Kings Men (gesungen von Tom) heraus, aber auch der Rest hält ein hohes Niveau aufrecht. Das alte Material ist eh super, allein schon der Titel des Hits Brave Bulging Buoyant Clairvoyants verdient einen Preis! Mein persölnlicher Favorit The Devil's Crayon ist schließlich dem Moderator der Sendung gewidmet. Eine schöne Geste der Band, die heute sicherlich einige neue Fans hinzgewonnen hat.

Daumen hoch also für die Wild Beasts!

Setlist Wild Beasts, Black Session 305, France Inter, Paris

01: The Fun Powder Plot
02: We Still Got The Taste Dancing On Our Tongues
03: All The King's Men
04: Brave Bulging Buoyant Clairvoyants
05: Please, Sir
06: This Is Our Lot
07: Two Dancers
08: His Grinning Skull
09: Hooting And Howling
10: The Devil's Crayon
11: Empty Nest


Links:

- aus unserem Archiv: Die Wild Beasts in der Pariser flèche d'or am 20.06.2008 hier
- mehr Fotos von den Wild Beasts hier
- hübsch gemachter Videoclip Wild Beasts - Hooting & Howling



 

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